Der Mann, der lacht / The Man Who Laughs

England im Jahr 1690: Gerade aus dem Exil heimgekehrt, um seinen kleinen Sohn Gwynplaine zu sehen, wird der Adlige Lord Clancharlie vom grausamen König James II. hingerichtet. Zuvor muss er jedoch erfahren, dass der König den Meisterchirurgen Dr. Hardquannone beauftragt hat, Gwynplaine grausam zu entstellen: Ein künstlich geschaffenes irres Grinsen verurteilt ihn dazu, von nun an auf ewig über seinen törichten Vater zu lachen. (Wicked Vision Distribution GmbH)

Ende des siebzehnten Jahrhunderts sitzt König James II. (Sam De Grasse) auf dem englischen Thron und führt eine grausame sowie despotische Herrschaft, in der sich jeder seinen Wünschen bzw. Forderungen beugen oder mit schrecklichen Konsequenzen rechnen muss. Ein Adliger, Lord Clancharlie (Conrad Veidt), weigert sich und zahlt einen hohen Preis dafür: seine Ländereien werden beschlagnahmt und er selbst wird zum Sterben in eine eiserne Jungfrau gesperrt. Doch vorher lassen der König und sein bösartiger Hofnarr Barkilphedro (Brandon Hurst) noch verlauten, dass Gwynplaine, der kleine Sohn des Lords (Julius Molnar als Julius Molnar Jr. gelistet), vom Meisterchirurgen Dr. Hardquanonne (George Siegmann), auf Befehl des Königs, schrecklich entstellt worden ist und sich nun mit einer dauergrinsenden Grimmasse durchs Leben kämpfen muss. So vergehen die Jahre und aus dem Jungen wird ein Mann…

In dieser Adaption von Victor Hugos Romanklassiker gibt es eine ganze Menge an Bösem sowie Hässlichkeit zu entdecken, wozu Gwynplaine selbst allerdings nicht zu zählen ist, was so manchen Zuschauer bestimmt überraschen wird. Nun, der Grund, warum einige Leute unseren dauergrinsenden Helden vielleicht für einen Bösewicht halten könnten, liegt darin verborgen, dass Conrad Veidts Make-up die Figur von Batmans Erzfeind The Joker inspirierte, den Bob Kane und Bill Finger etwa zehn Jahre später „zum Leben erweckten“. Doch der literarischen Quelle nach handelt es sich bei Gwynplaine um einen durchweg gutmütigen Kerl. Man erinnere sich nur an die Titelfigur aus Hugos Der Glöckner von Notre Dame (1939) und man bekommt mindestens eine ungefähre Vorstellung davon, dass in einem verunstalteten Körper durchaus eine heroische Seele wohnen kann.

Veidt spielte die Rolle des Gwyplaine ungefähr genauso gut wie Charles Laughton als Quasimodo auftrat, was auch wirklich wichtig war, da beide die Lesarten ihrer jeweiligen Rollen mit Pathos versehen mussten, ohne diese zu erbärmlich erscheinen zu lassen. Lon Chaney, der auch den Buckligen spielte, jedoch im Stummfilm von 1923, hätte man sich auch gut als Gwynplaine vorstellen können, da er es mit Sicherheit geliebt hätte mit genauso viel verzerrtem Make-up herumzulaufen, wie bei seinem Glöckner. Doch aus irgendeinem Grund rekrutierte Regisseur Paul Leni stattdessen seinen alten Kollegen Conrad Veidt, die beide in den zwanziger Jahren aus der Weimarer Republik nach Hollywood gezogen waren.

Leni stellt eine faszinierende Figur dar, wahrscheinlich sogar eher für das, was er nicht getan hat, als für das, was er getan hat. Mit einer ganzen Reihe von Horrorfilmen im Gepäck – wie dem noch immer überzeugenden The Cat and the Canary (Spuk im Schloss, 1927) – war er bestens für die Ära des Tonfilms gerüstet, doch leider sollte es nicht sein, denn er erkrankte 1929 an einer Blutvergiftung und starb auf tragische Art und Weise bereits mit Mitte Vierzig in Los Angeles. Wäre er der richtige Mann für den Horror-Boom der dreißiger Jahre gewesen? Es scheint ziemlich wahrscheinlich, obwohl er mit Sicherheit auch Abenteuerfilme und historische Epen mit der gleichen Souveränität gemeistert hätte. Leider hatte das Publikum keine Gelegenheit dies herauszufinden, doch dafür hat er ihm Conrad Veidt präsentiert, einen der frühesten Kultstars der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auf seinem Weg zu einem gewissen Grad von Ruhm.

Doch nun zurück zur Handlung und diesem kümmerlichen Leben sowie der erniedrigenden Arbeit, mit denen sich Gwynplaine abfinden muss. In seinem Unglück ist er dazu verdammt eine lustige Figur zu repräsentieren, indem er seinen Lebensunterhalt als Clown in einer Truppe von reisenden Schaustellern und Gauklern verdient. Wenigstens kann er etwas Trost darin finden, von dem blinden Mädchen Dea geliebt zu werden, das er als Baby vorm Erfrieren gerettet hat. Dea wird von Mary Philbin (auch Lon Chaneys puppenhafter Co-Star in Das Phantom der Oper, 1925) verkörpert, die hier eigentlich nicht viel zu tun hat, außer geduldig, glückselig und freundlich zu erscheinen. Zumindest ist sie Olga Baclanova (die ein paar Jahre später auch in Freaks auftreten würde) vorzuziehen, die ihre große Szene als Herzogin der Nation hat, in der ihr klar wird, dass sie unseren Helden verführen und heiraten muss, um ihre Familie auf dem Thron zu halten, denn Gwynplaine stellt sich als der wahre Erbe des Königreichs heraus. Der angewiderte Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie ihn küsst, bringt die Stimmung des Stückes wunderbar auf den Punkt. Ja, der Film hat auch Spannung zu bieten, vor allem während des actiongeladenen Höhepunkts (ein großes Lob geht dabei auch an Zimbo den Hund als draufgängerischer Verbündeter Homo – damals, als man den lateinischen Begriff noch mit „Mensch“ übersetzte), doch was man vor allem aus Der Mann, der lacht mitnimmt, ist der Spott sowie die enthusiastische Schikanierung und Demütigung, welche die schnöde Masse (die sich nicht einen Pfifferling um so etwas wie Empathie schert) unbarmherzig auf eine unglückliche Seele herniederprasseln lässt. Bei Der Mann, der lacht handelt es sich letztendlich um eine mitreißende Geschichte, die aber auf ihre ganz eigene Art und Weise auch unheimlich aufreibend daherkommt. Sehr empfehlenswert!

Wicked-Vision veröffentlicht Der Mann, der lacht als Nummer 57 ihrer Collector’s Edition im Mediabook (2 Blu-rays und 2 DVDs), mit fünf verschiedenen Cover-Motiven, die jeweils limitiert sind. Bild (1,18:1 1080p / 1,18:1 Vollbild) und Ton (Musik + Instrumental DTS-HD Master Audio 2.0, 1928 / 2018) bewegen sich auf ziemlich hohem Niveau, da gibt es keine Beschwerden anzumelden. Deutsche Untertitel können auf Wunsch ebenfalls zugeschaltet werden. Wicked-Vision präsentiert uns Der Mann, der lacht seit seiner Kinouraufführung 1929 erstmals in Deutschland. Außer der 4K-Restauration der ungekürzten Originalfassung bietet diese Edition auch eine aufwendig rekonstruierte Fassung mit deutschen Texteinblendungen, wie sie damals in den deutschen Lichtspielhäusern zu sehen war. Der Mann, der lacht gehört zu den visuell beeindruckendsten Stummfilmen, zählt heute zu den einflussreichsten Horrorklassikern überhaupt und hat insbesondere die Popkultur nachhaltig geprägt. Unter der Regie der deutschen Expressionismus-Legende Paul Leni entstand ein unheimlich schönes Gothic-Melodram mit Conrad Veidt in der Titelrolle. Veidts Make-up diente als Inspiration für das Gesicht des Jokers in den Batman-Comics der 1940er-Jahre. Insgesamt handelt es sich bei Der Mann, der lacht wieder einmal um eine äußerst gelungene Mediabook-Edition mit interessantem Bonusmaterial.

Extras :

  • Doku: Die Geburt der Universal Monster aus dem Geiste des Melodrams mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger (ca. 19 min.) —> wie gewohnt eloquent und enorm informativ
  • 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach —> hier kann man so einiges über Victor Hugo, seinen Roman L’omme qui rit sowie dessen Adaption und noch eine ganze Menge mehr erfahren
  • Bildergalerie
  • Rekonstruierter deutscher Trailer
  • Trailer
  • Hidden Feature

Beim Wicked-Shop oder Amazon bestellen

Freigabe: 12
Ländercode: A,B,C / 0
Laufzeit: 110 Minuten (ungekürzt) / 106 Minuten (ungekürzt)
Bildformat: 1,18:1 (1080p) / 1,18:1 (Vollbild)
Sprache: Score 1: Berklee Silent Film Orchestra / Score 2: Original Movieton von 1928
Tonformat: DTS-HD Master Audio 2.0 / Dolby Digital 2.0
Untertitel: Deutsch
Untertitel Extras:
Verpackung: Mediabook
Discs: 4
Format: 2x Blu-ray / 2x DVD
Disc-Typ: BD-50 / DVD-9
Schwarzweiß
Studio: Wicked Vision Distribution GmbH

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Einige Impressionen von Wicked Vision

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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