Frankensteins Rache / The Revenge of Frankenstein

Obwohl ein Produkt des 19. Jahrhunderts, erkennt man in Peter Cushings genialem Spiel auch die sich keiner Schuld bewusste Wissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Konzeption einer keine Skrupel kennenden Rolle ist immer noch modern. Wissenschaftlicher Erkenntnis wegen geht er sprichwörtlich über Leichen, die er auseinandernimmt und neu zusammensetzt. Der Guillotine entkommen, praktiziert der Baron jetzt unter dem Namen Dr. Victor Stein in Carlsbruck. In einem Armenhospiz amputiert er nachts zusammen mit seinem Assistenten Dr. Kleve die Gliedmaßen, die nötig sind, um einen perfekten Menschen zu erschaffen. Das Gehirn eines zwergenhaften Krüppels, der ihnen zu Diensten steht, setzt er als krönenden Schluss in den Körper eines Adonis ein. Das Experiment scheint gelungen, doch äußere Einflüsse führen zu einem fatalen Amoklauf und zur Enttarnung Frankensteins. (Anolis Entertainment)

Baron Victor Frankenstein (Peter Cushing) wurde aufgrund seiner Verbrechen gegen die Natur sowie Gott zum Tode durch die Guillotine verurteilt, nachdem er einen Leichnam wieder zum Leben erweckt hatte, der dann Amok lief. Doch als er sich seinem Hinrichtungsort nähert, hält er einen Moment inne, denn ein Plan zu seiner Befreiung wird in Gang gesetzt. Jeder denkt, der Baron sei nun tot, einschließlich ein paar Grabräubern (Lionel Jeffries und Michael Ripper), die sich auf den Weg gemacht haben, um seine frische Leiche auszugraben und zu stehlen. Als sie jedoch den Sarg öffnen, müssen sie erschrocken feststellen, dass es sich nicht um Frankensteins Leiche handelt, sondern um die des jetzt kopflosen Priesters, der dem Baron in seinen letzten Momenten zur Seite stehen sollte – ein Räuber flieht, während sich der andere umdreht, um Baron Frankenstein zu erblicken.

Und dann nach einem Herzinfarkt umkippt, in einem von wenigen schwarz-humorigen Momenten in Hammers erster Fortsetzung von The Curse of Frankenstein / Frankensteins Fluch, 1957. Mit Terence Fisher als Regisseur, Jimmy Sangster als Drehbuchautor und Peter Cushings Rückkehr zu der Rolle, die ihn weltberühmt machte, kann man schon das Gefühl bekommen auf allzu vertrautes Terrain zurückzukehren, doch alle Beteiligten waren so zuversichtlich in ihre Fähigkeiten, sodass man Frankensteins Rache schon zu schätzen wissen kann. Der Film kommt so rüber, als würde man einem Komiker beim Durchgehen einer klassischen Stand-up Routine zusehen: Man weiß, wo die Pointen sitzen und wohin die Geschichte führt, doch es macht trotzdem Spaß dem Ganzen zu folgen.

Vielleicht fühlt man sich mit dem Stil der Hammer-Flicks einfach nur wohl, was für einen Horrorfilm, der einen eigentlich aus der Komfortzone heraus manövrieren soll, seltsam erscheinen mag, doch es gestaltet sich doch nicht so überraschend, wenn man bereits ziemlich genau weiß, wo die Reise hinführt. Der Film springt nun drei Jahre in die Zukunft, um seinem Publikum mitzuteilen, dass sich der Baron jetzt Dr. Stein nennt und eine florierende Arztpraxis in Carlsbruck führt. Sollte das etwa bedeuten Baron Frankenstein hätte es aufgegeben mit dem Allmächtigen zu konkurrieren? Weit gefehlt, denn die Praxis stellt eine Fassade für seine weniger respektablen Aktivitäten dar, die den Zuschauern ungefähr zur gleichen Zeit offenbart werden, wie einem der örtlichen Ärzte, Hans Kleve (Francis Matthews), nachdem Dr. Stein von Abgesandten der Ärztekammer besucht worden ist.

Er wird nicht besucht, weil herausgefunden wurde, wer er wirklich ist, sondern weil er so viel erfolgreicher ist als die anderen Ärzte, was berufliche Eifersucht sowie Feindseligkeit hervorruft. Das Thema Schuld stellt sich als ein starkes heraus, da Frankenstein seine eigenen Geheimnisse hat, die er auch weiterhin lieber im Verborgenen hält. Da ihm Emotionen wie Reue allerdings komplett fremd sind, lässt er besondere Vorsicht walten, damit seine Experimente nicht auffliegen können. Doch die Handlung arbeitet stark daran, um ihn für sein übermäßiges Selbstvertrauen und seine ausgeprägte Arroganz büßen zu lassen, indem sie ihr Bestes tut, um seine Absichten zu sabotieren. Denn auch diesmal drehen sich diese Absichten um einen Körper, der aus „Ersatzteilen“ seiner willigen Patienten zusammengenäht wurde. Ob sich diese Patienten auch in seine Obhut begeben hätten, wenn sie gewusst hätten, was er mit ihnen sowie ihren Körperteilen anstellt, bleibt umstritten.

Der Doktor hat in Karl (Michael Gwynn) einen missgebildeten Assistenten, dessen Gehirn er in den Schädel seines Musterexemplars (ebenfalls Michael Gwynn) transplantiert, wobei zunächst alles gut zu gehen scheint. Hans, der mittlerweile zu Baron Frankensteins eifrigem Schüler geworden ist, beginnt sich irgendwann über den Schimpansen zu wundern, der in einem Käfig in Frankensteins Labor untergebracht ist und auch vom Baron operiert worden ist: „Warum frisst der Affe überhaupt Fleisch?“ „Oh, mach dir keine Sorgen“, antwortet der Wissenschaftler, „er wurde nach der Operation zu einem Kannibalen, er hat sogar seine Frau gefressen!“ Nun, die meisten Leute würden sich zumindest ein wenig Sorgen machen, ob sich dieses Phänomen nicht auch auf einen Menschen übertragen würde, denn obwohl der „neue“ Karl erst einmal einwandfrei funktioniert, verwandelt er sich nach einer Schlägerei mit dem Hausmeister in einen Wahnsinnigen, dem es nach menschlichem Fleisch gelüstet. Der Baron, der gerne in die höfliche Gesellschaft aufgenommen werden möchte, sieht sich nun von seinen Obsessionen auf die Erde zurückgezogen, während seine blasierte Haltung gegenüber der heiligen Natur des Lebens sein Verderben heraufbeschwört und das nicht zum letzten Mal. Frankensteins Rache ist nicht als der Beste Film der Serie zu bezeichnen, doch er versteht es bestens zu unterhalten sowie zu amüsieren und auf seine ganz eigene Art und Weise sogar zu provozieren.

Bonusmaterial:
Audiokommentar mit Dr. Rolf Giesen / Audiokommentar mit Uwe Sommerlad und Volker Kronz / Audiokommentar mit Steve Haberman und Constantine Nasr / Dokumentation „The Birth of Hammer Horror“ / Dokumentation „David Huckvale über die Musik“ / Amerikanischer und deutscher Kinotrailer / Deutsche Titelsequenz / „Trailers from Hell“ mit Joe Dante / Super-8-Fassung / Werberatschläge / Filmprogramme / Bildergalerie
Inkl. 32-seitigem Booklet geschrieben von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad (exklusiv nur im Mediabook enthalten)

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.77:1, 16:9 – 1.66:1
  • Alterseinstufung: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: Fisher, Terence
  • Medienformat: Breitbild
  • Laufzeit: 1 Stunde und 30 Minuten
  • Darsteller: Matthews, Francis, Gayson, Eunice, Gwynn, Michael, Cushing, Peter
  • Untertitel: Deutsch
  • Sprache: Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
  • Studio: Anolis Entertainment

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Die Screenshots stammen nicht von dieser Edition !!!

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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