Juice

Die vier Kumpels Bishop, Q, Raheem und Steel treiben sich in den Straßen von Harlem herum, anstatt die Schule zu besuchen. Zusammen sind sie die selbsternannte „Wrecking-Crew“. Während Q eine Karriere als DJ anstrebt, beschäftigt Bishop eher die Frage des mangelnden Respekts, der ihnen auf der Straße entgegen gebracht wird. Denn ohne „Juice“ (=Reputation auf der Straße) geht in Harlem nichts. Als es Bishop gelingt, in den Besitz einer Waffe zu kommen, überredet er die anderen zum Überfall auf einen Drugstore. Dabei erschießt er den Besitzer ohne erkennbaren Grund. Von den Ereignissen tief gespalten gerät die Gruppe immer tiefer in den Sog eines brutalen Strudels der Gewalt… (Studio Hamburg Enterprises)

Juice wurde vom langjährigen Kameramann Ernest R. Dickerson inszeniert, der vor allem für die Mitarbeit an einigen von Spike Lees besten Filmen bekannt ist, darunter Do the Right Thing (1989) und Malcolm X (1992). Bei seinem Regiedebüt kanalisiert Dickerson nicht unbedingt Lees Stil und Vision, erkundet allerdings dieselben dramatischen Schauplätze, denn sein Film erzählt die Geschichte von vier jungen Afroamerikanern, die die schwierigen Wege der damals-zeitgenössischen Jugend durchqueren. Der Film präsentiert sich in Ton und Bild reich strukturiert und fängt sowohl den musikalischen Beat, als auch die visuelle Essenz des Lebens auf der Straße ein. Es handelt sich um einen grundsoliden Film, der zwar auf einem vertrauten Fundament aufgebaut ist, jedoch mit Scharfblick und einzigartigem Stil sondiert wurde, was ihn zu einem herausragenden, wunderbaren Werk für einen Regiedebütanten macht.

Vier junge Männer – Bishop (Tupac Shakur), Q für Quincy (Omar Epps), Raheem (Khalil Kain) und Steel (Jermaine ‚Huggy‘ Hopkins) – sind Harlemiten, denen es an Orientierung fehlt. Sie vertreiben sich ihre Zeit damit Schallplatten im Plattenladen zu stehlen oder in der örtlichen Spielhalle rumzuhängen. Q träumt davon, professioneller DJ zu werden. Er beherrscht die Kunst und zieht die Aufmerksamkeit einer Frau (Queen Latifah) auf sich, die ihn auf die Überholspur zum Erfolg setzt. Doch die gewalttätigen Tendenzen der Gruppe, ein geplanter Raubüberfall sowie zunehmender Gruppendruck bringen Q in eine schwierige Lage, die für ihn und alle um ihn herum schlimme Ausmaße annehmen könnte.

Juice beginnt wie eine Art Schnappschuss-Film, der die scheinbar banalen, alltäglichen Aktivitäten seiner vier Hauptdarsteller einfängt. Sie werden von ihren Eltern aus dem Bett geschmissen und bereiten sich mit ihrer Musik auf ihren Tag vor, wobei ihre individuellen Beats auch gleichzeitig ihre Persönlichkeiten definieren. Dann stehlen sie eben diese Musik, indem sie einen nicht allzu komplizierten Plan aushecken, um eine Plattenladenangestellte abzulenken und ein paar Alben unter einer Zeitung versteckt aus dem Laden zu „schmuggeln“. Von dort aus entwickeln sich die Dinge dann jedoch ausschließlich negativ für unsere vier Freunde. Auch wenn einige von ihnen daran arbeiten, dem falschen Weg zu entkommen – Q gewinnt einen DJ-Contest, doch sein Engagement für seine Freunde (und im weiteren Sinne die Kriminalität) halten ihn von dem ab, was er kennt und liebt und von dem was für ihn die Flucht bedeuten könnte, die er braucht – scheint dieser dunkle Pfad immer zu locken, während der Film zusehends düsterer wird, je kälter sich die Charaktere auf emotionaler Ebene entwickeln und sich immer mehr von der Realität sowie den Folgen ihrer Handlungen lösen. Das stellt zwar nichts Neues dar, aber Dickerson verleiht dem Film eine Fülle von Texturen in Bezug auf Charakter, Umgebung und Sound, bis er ein Eigenleben entwickelt, auch wenn sich seine Grundlagen von anderen Filmen entlehnt anfühlen. Gleichzeitig verleiht ihm seine lebensreflektierende Struktur eine ganz eigene Seele.

Der Film entwickelt seine Charaktere sorgfältig und vermischt sowohl idiomatische Verallgemeinerung mit der Art intimer Porträts, die es dem Film ermöglichen, über seine gröberen Handlungsentwicklungen und Details hinaus zu glänzen. Jeder Schauspieler liefert eine sorgfältig konstruierte und gleichzeitig natürlich organische Vorstellung ab, die den Charakteren Leben einhaucht, was das Drehbuch allein nicht leisten kann. Das Schauspiel fühlt sich flüssig und authentisch an, anstatt eingeübt und vorgetäuscht. Die Schauspieler begreifen den Mut des Films und steigern ihn noch, indem sie oft strukturell geschichtete Arbeit abliefern, die niemals nach mehr Tiefe strebt, sowohl individuell, als auch auf der kollektiven Ebene innerhalb ihres Kreises und ihrer Interaktionen mit der Welt um sie herum. Letztendlich handelt es sich um eine Yin-und-Yang-Erfahrung, bei der alles in Harmonie zu funktionieren scheint, da sich alles positiv gestaltet – Schauspiel, Fotografie, Soundtrack – was es dem Film ermöglicht, sich über seinen Eröffnungsakt hinaus zu entwickeln und die Tiefen zu erkunden, die zum Malen eines lebendigeren Bildes seiner Welt erforderlich sind.

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  • Seitenverhältnis: 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur: Ernest R. Dickerson
  • Medienformat: Dolby
  • Laufzeit: 1 Stunde und 30 Minuten
  • Darsteller: Tupac Shakur, Omar Epps, Jermaine Hopkins, Khalil Kain, Samuel L. Jackson
  • Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Stereo), Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
  • Studio: Studio Hamburg Enterprises

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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