Asphalt-Kannibalen / Apocalypse domani / Cannibal Apocalypse / Invasion of the Fleshhunters

Auf Grund der Rechtslage in Deutschland möchten wir darauf hinweisen dass der im folgenden besprochene Spielfilm aktuell indiziert ist. Um unserem Bildungsauftrag nachzukommen und der kulturellen Bedeutung des Films gerecht zu werden, findet ihr im Folgenden einen Artikel zum Film Asphalt-Kannibalen, der sich mit Werk und Wirkung kritisch auseinandersetzt.

US-Soldaten, die sich in Vietnam mit einem Kannibalismus-Virus infiziert haben, werden nach ihrer Heimkehr zum Schrecken der Bevölkerung. Zwei GIs brechen aus der Nervenheilanstalt aus in die man sie eingewiesen hatte, weil sie ihren eigenen Captain angefallen hatten. Und erst jetzt stellt sich heraus, dass ihr Verhalten nicht auf einer durch die Kriegserlebnisse gestörten Psyche beruht, sondern durch ein Virus hervorgerufen wird. Gleich reißenden Wölfen streichen die Kannibalen durch die Stadt – und jeder Gebissene wird mit der gleichen schrecklichen Krankheit infiziert. Die Polizei steht vor einer unlösbar scheinenden Aufgabe. (Media Target Distribution GmbH)

Im Laufe seiner langen Karriere beschäftigte sich Regisseur Antonio Margheriti mit allen möglichen Genre-Ausrichtungen: Peplum, Weltraumoper, Gothic-Horror- und Eurospy-Flick, giallo, Italo-Western, Familienkomödie, poliziottesco, Tierhorror, Abenteuerfilme, Söldnerfilme und was auch immer Il mondo di Yor (Einer gegen das Imperium, 1983) sein soll. Asphalt-Kannibalen von 1980 repräsentiert seinen einzigen Versuch mit dem grafisch blutigen, extremen italienischen Horrorfilm, der nach George A. Romeros Dawn of the Dead (1978) durch Filmemacher wie zum Beispiel Lucio Fulci berühmt geworden ist. Diese Art von Horrorfilm war eigentlich nicht Margheritis Metier, was Asphalt-Kannibalen auch teilweise widerspiegelt, denn hier wird etwas anderes auf die Beine gestellt, als man aus den übrigen Zombie- und Kannibalenfilmen wie Fulcis Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies (1979), Ruggero Deodatos Nackt und zerfleischt (1980) sowie Umberto Lenzis Die Rache der Kannibalen (1981) gewohnt ist.

Trotz der Horrorelemente und des offensichtlichen Einflusses anderer Zombie- und Kannibalenfilme passt Asphalt-Kannibalen eher in das Sub-genre des durchgeknallten-Vietnam-Veteranen-Flicks aus der Post-Taxi Driver-Ära, das durch Der Mann mit der Stahlkralle (1977), Der Exterminator (1980), Rambo (1982) und einer ganzen Reihe von kleineren B-Movie-Actionfilmen populär gemacht wurde. Wie in den genannten Beispielen geht es auch hier um Soldaten, die aus Vietnam heimkehren und sich nicht wieder in das zivile Leben einordnen können, somit zu Außenseitern mutieren, um sich schließlich aus den verschiedensten Gründen auf einen Amoklauf zu begeben. Kannibalismus ist zwar als eine ziemlich extreme Metapher für PTBS von zerrütteten Kriegsveteranen zu bezeichnen, legt aber einen etwas thematischeren Anspruch an den Tag, als man normalerweise in Exploitation-Flicks dieser Zeit zu sehen bekommt. Bereits Roger Corman war seit Jahrzehnten klar gewesen, dass man die eindringlichsten Botschaften am besten in eben solche Streifen einfließen lassen konnte, weil inmitten von Blut und Gewalt sowie erotischen Inhalten niemand danach suchen würde.

Vietnam Veteran Norman Hopper (John Saxon) hat Schwierigkeiten sich wieder an das „normale“ Leben in der Heimat zu gewöhnen, währenddessen sein bester Freund Dr. Phil Mendez (Ramiro Oliveros als Ray Williams gelistet) am liebsten seine Frau Jane (Elizabeth Turner) vernaschen würde. Die Alpträume von seinen schrecklichen Kriegserlebnissen werden von Tag zu Tag schlimmer und als die junge Mary (Cinzia De Carolis als Cindy Hamilton aufgeführt) von Nebenan versucht ihn zu verführen, entwickelt er langsam eine Vorliebe für Menschenfleisch. Nach einem Anruf seines alten Kriegskameraden Charlie Bukowski (Giovanni Lombardo Radice als John Morghen gelistet) gerät sein Leben immer weiter außer Kontrolle. Asphalt-Kannibalen kann zwar auch in das italienische Sub-genre der Kannibalen Streifen eingeordnet werden, stellt letztendlich aber eine ganz eigene Art von Film dar. Hier wurde sich sowohl an Dawn of the Dead orientiert, als auch an italienischen Söldner- sowie Horrorfilmen und urbanen Albtraumszenarien, bei denen es sich mehr um Schießereien und Actionszenen dreht, als um den Kannibalismus selbst.

1982 wurde der Film von Almi Pictures unter zwei verschiedenen, jedoch ebenso reißerischen Titeln in US-Grindhouse- sowie Autokinos veröffentlicht und zwar zunächst als Invasion of the Fleshhunters in einer um mehrere Minuten gekürzten Fassung (um ein X-Rating zu vermeiden), um dann 1983 in seiner ungekürzten Form als Cannibals in the Streets einen Relaunch spendiert zu bekommen. PTBS manifestiert sich hier in Form eines schlummernden Kannibalen-Virus, mit dem sich ein Trio von Kriegsveteranen in Vietnam infiziert hat: der verrückte Sergeant Tommy Thompson (Tony King), ein Kerl mit dem seltsam gewählten Namen Charlie Bukowski und ihr C.O. Captain Norman Hopper, dem in Nam vom wild gewordenen Thompson ein Stück Fleisch aus dem rechten Arm gebissen wurde. Hopper wird zu Hause in Atlanta immer noch von Albträumen heimgesucht, während ein leicht aufgetautes, rohes und blutgetränktes Stückchen Fleisch im Kühlschrank schon sehr appetitlich für ihn aussieht, noch bevor er, Bukowski und Thompson dem langsam wachsenden Verlangen nach Menschenfleisch nicht länger widerstehen können. Hopper eilt Bukowski zu Hilfe, nachdem dieser eine junge Frau in einem Kino in den Nacken gebissen hat (im Lichtspielhaus ist Umberto Lenzis Kriegsdrama Contro 4 bandiere / Nur drei kamen durch von 1979 zu sehen) und auf dem sogenannten Flohmarkt von Atlanta in eine Pattsituation mit der Polizei geraten ist.

Bukowski kann von Hopper besänftigt und der Polizei in Verwahrung genommen werden, nachdem der Captain das aggressiv flirtende sowie minderjährige Mädchen aus der Nachbarschaft in einer verfänglichen Szene – die man am besten als unglaublich unbehaglich beschreiben kann – an einer „verbotenen“ Stelle des Körpers bereits gebissen hat. Obwohl der eigentliche Biss Off-Screen stattfindet, gestaltet sich diese Sequenz doch irgendwie äußerst unangenehm, wobei einige von Margheritis gröberen Zeitgenossen dabei sicherlich nichts der Fantasie der Zuschauerschafft überlassen hätten. Hopper hilft dann Bukowski und Thompson aus einer psychiatrischen Anstalt auszubrechen, wo die beiden die Krankenschwester Helen (May Heatherly, wohl am besten als die Puzzle hassende Mutter aus Mil gritos tiene la noche / Pieces – Stunden des Wahnsinns von 1982 bekannt) infiziert haben, die deswegen dann ganz einfach auf ihrem Amoklauf durch Atlanta – der in einer Verfolgungsjagt via Kanalisation gipfelt – mitgenommen wird.

Hopper und seine Gefährten werden nicht nur von der Polizei verfolgt, sondern auch von seiner Frau, der Nachrichtenreporterin Jane sowie seinem Freund Dr. Mendez, der in sie verknallt ist und ständig versucht sie dazu zu bringen, Norman für ihn im Stich zu lassen. Außerdem gibt es da noch den zornigen, unflätigen sowie Trenchcoat tragenden Police-Captain McCoy (Wallace Wilkinson), der erstmal wissen will, ob es sich um einen „Sonderling“, „Schwarzen“, „Kommunisten“ oder „Moslem“ handelt, nachdem er am Einsatzort Flohmarkt angekommen ist. Wilkinson trat in einer ähnlichen Rolle als Glenn Fords Captain auch in Giulio Paradisis irrem Stridulum (Die Außerirdischen, 1979) auf, der mit einer wahren Starbesetzung aufwarten kann und einen weiteren in Atlanta gedrehten italienischen Horrorfilm aus der gleichen Zeit repräsentiert.

Asphalt-Kannibalen ist in seiner unzensierten Version gerade erst vor kurzem von Media Target auf Blu-ray veröffentlicht worden und sieht in diesem nahezu makellosen Transfer besser aus als je zuvor. Dieses Upgrade übertrifft selbstverständlich sämtliche VHS- sowie Bootleg-Editionen, die von diesem Film existieren. Obwohl hier nicht so konsequent vorgegangen wurde, wie zum Beispiel in einem Fulci– oder Lenzi-Horrorfest, muss sich Asphalt-Kannibalen in Sachen Gewalt und Grausamkeiten dennoch mit Sicherheit nicht verstecken. Von gelegentlichen Fleisch-fress-Picknicks über das Herausbeißen von Zungen sowie dem Ausdrücken von Augäpfeln und Abtrennen von Gliedmaßen bis hin zu der legendären Szene, die durch das klaffende Loch in Bukowskis (mit einer Schrotflinte mehrfach durchschossenem) Bauch gefilmt wurde, liefert Margheriti ein ausreichendes Maß an Gore ab. Die Media Target Edition enthält eine fast einstündige Retrospektive (Cannibal Apocalypse Redux), die Interviews mit John Saxon, Giovanni Lombardo Radice sowie Antonio Margheriti bereitstellt, die voller lustiger Anekdoten zum Low-Budget-Horrorfilmemachen stecken. Außerdem versteht es der von Kai Krick und Pelle Felsch eingesprochene Audiokommentar bestens zu informieren und dabei gleichzeitig enorm unterhaltsam zu sein. Zudem kann man sich noch ein Interview (Cannibal King) mit Tony King ansehen, einem weitestgehend in Vergessenheit geratenen Receiver der Buffalo Bills, dessen kurze NFL-Karriere 1968 nach nur einer Saison endete. Auch das Video-Essay von Prof. Dr. Marcus Stiglegger kann – wie gewohnt – als recht interessant und somit sehr gelungen bezeichnet werden.

Weitere Extras:

  • Apocalypse in the Streets – Eine Location-Tour
  • Asphalt Kannibalen – Die ungekürzte deutsche Kinofassung, HD-Abtastung vom deutschen original Negativ (nur auf der Blu-ray enthalten)
  • Trailer deutsch (HD Abtastung)
  • Internationale Trailer (US, JP)

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Freigabe: ungeprüft
Fassung indiziert: Ja
Laufzeit: ca. 97 Min.
Regionalcode: RC B
Verpackung: Mediabook
Bildformat: 1,66:1 (1080p)
Tonformat: Deutsch (DTS-HD Master Audio 1.0), Englisch (DTS-HD Master Audio 1.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch

… Selbstverständlich hat diese Version niemals den angepriesenen Director’s Cut enthalten …

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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