L’immoralità / Cock Crows at Eleven

In einer einsamen, in einem Park gelegenen Villa, ein paar Kilometer von der Stadt entfernt, leben Vera, ihr langjährig im Rollstuhl sitzender Ehemann und die zwölfjährige Simona. Eines Tages trifft Simona auf Federico, einen verwundeten jungen Mann, der verfolgt wird weil er ein kleines Mädchen vergewaltigt und getötet hat. Das kleine Mädchen versteckt den Flüchtigen aber bald entdeckt die Mutter die Anwesenheit des Mannes und baut eine Beziehung zu ihm auf… (Cineploit Records)

Simona (Karin Trentephol) ist eine einsame 12-Jährige, die mit ihrer Mutter (Lisa Gastoni) und ihrem an den Rollstuhl gefesselten Vater (Mel Ferrer) in einem abgelegenen Haus auf dem Land in Italien lebt. Als sie eines Tages durch den Wald in der Nähe ihres Hauses schlendert, trifft sie auf einen verletzten Mann namens Federico (Howard Ross), dem von der Polizei in den Arm geschossen wurde, weil er ein gefährlicher Kindermörder auf der Flucht ist. Während er seinen Häschern zunächst entkommen konnte, setzen die Behörden ihre Suche nach ihm mit aller Macht fort, weswegen Simona ihm Zuflucht in einem kleinen, verlassenen Jagdhaus auf ihrem riesigen Grundstück gewährt. Hier scheint sie sich in Federico zu verlieben, doch ihre Mutter findet heraus, wen sie versteckt hat und versucht den Flüchtigen dazu zu verleiten, ihren behinderten Ehemann zu ermorden. Simona, deren Beziehung zu ihrer Mutter ohnehin recht angespannt ist, grämt sich enorm, dass sie Federico nicht ganz für sich alleine haben kann und sinnt darauf an den beiden Rache zu nehmen.

L’immoralità ist für seine Darstellung von Nacktheit einer Minderjährigen und simuliertem Sex berüchtigt. In den 70er Jahren standen italienische Filmemacher an der vordersten Front des sogenannten Schockkinos, um neue Maßstäbe zu setzen und Neugierige anzulocken, die sehen wollten, wie weit der nächste umstrittene Film gehen würde. Dieser hier ist zwar ein wenig öde und ziemlich generisch geraten, geht aber nach ca. einer Stunde definitiv bis zum Äußersten, wenn eine nackte Simona aus der Wanne springt, um sich dann auf den Boden zu legen und Federico (der mit ihr im Badezimmer ist) mehr oder weniger anzuflehen, ihr „ein Baby zu machen“. Hierbei handelt es sich um einen äußerst expliziten Moment, der die meisten Zuschauer verstören dürfte, wobei es stark verwundert, dass dies auf Blu-ray veröffentlicht werden durfte.

Nimmt man den kontroversen Moment heraus, der eigentlich mehr angedeutet, als gezeigt wird, so gestaltet sich der restliche Film ansonsten eher steril. Dennoch hat der Streifen auch ein paar positive Aspekte aufzuweisen, darunter die subtile, jedoch eindringliche Musik des unvergleichlichen Ennio Morricone und das Schauspiel der unmoralischen Charaktere, die zunächst alle „normal“ erscheinen, allerdings schnell ihre verdrehte Natur offenbaren. Dabei ragt Karin Trentephol, in ihrem einzigen Filmauftritt, besonders heraus. Keine Ahnung, wo die Produzenten sie entdeckt, oder wie sie die Erlaubnis ihrer Eltern bekommen haben, eine so schwierige, frivole Rolle zu spielen, doch sie verleiht ihrem Charakter eine erstaunliche Präsenz. Insbesondere ihre durchdringenden Augen bringen die innere Verachtung für die Menschen um sie herum deutlich zum Ausdruck.

Lisa Gastoni, die in den 50er und 70er Jahren im italienischen Filmbusiness ziemlich aktiv gewesen ist, legte nach L‘immoralita eine längere Pause ein und trat bis 2005 (Cuore sacro) in keinem anderen Film auf. Die alternde, abgestumpfte Frau, die durch keinerlei Abscheulichkeiten zu verschrecken ist, schien ihr auf den Leib geschrieben zu sein. Die Gespräche, die Vera mit ihrer Tochter führt, kommen zwar ziemlich merkwürdig rüber, könnten aber dennoch in einer Familie zu hören sein, die sich so dysfunktional präsentiert, wie diese hier. Sogar Mel Ferrer – der einst ein aufstrebender Star gewesen war und Arbeit in Überseeproduktionen fand, nachdem Hollywood ihn vergessen hatte – bekommt einen recht intensiven Moment spendiert, in dem er wütend ein Gewehr auf seine Brust setzt und seine Frau herausfordert (von der er weiß, dass sie ihn tot sehen will) den Abzug zu betätigen.

Das schwächste Element der Geschichte stellt Federico dar. Man bekommt zwar zu sehen, wie er zu Beginn eines seiner Opfer vergräbt, doch wie er jemanden tötet, bleibt dem Publikum vorenthalten, was der Spannung schadet, da er nicht impulsiv und bedrohlich genug erscheint. Stattdessen verhält er sich übermäßig passiv, während er sowohl von Simona als auch von ihrer Mutter mehr oder weniger „herumkommandiert“ wird. Vielleicht sollte das der Punkt sein und man wollte zeigen, wie Männer letztendlich von Frauen „kontrolliert“ werden – sogar die gefährlichen – was allerdings auf keine interessante Art und Weise gehandhabt wurde. Viele Szenen erweisen sich als eher schwerfällig, einschließlich des Höhepunkts, der wenig Schlagkraft zu bieten hat. Dennoch ist der Film auf psychologischer Ebene als äußerst interessant zu bezeichnen.

Extras und Besonderheiten:

  • weltweite 2K Blu-ray Premiere!
  • Interview Howard Ross (19min.)
  • internationale Bildergalerie
  • separat abspielbarer Score von Ennio Morricone
  • Hardcover Mediabook mit partieller Veredelung
  • 28 Seiten Booklet mit einem Essay von Udo Rotenberg auf Deutsch und Englisch veredelt mit internationalem Werbematerial
  • doppelseitiges Poster mit zwei verschiedenen italienischen Motiven
  • zwei verschiedene Covervariationen (italienische Locandinas) in einer nummerierten & limitierten Auflage von 350/350 Stück (komischerweise wurde unser Exemplar mit der Nummer 392 ausgezeichnet !?)

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Seitenverhältnis: 16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
Alterseinstufung:‎ Nicht geprüft
Regisseur:‎ Pirri, Massimo
Laufzeit: 1 Stunde und 46 Minuten
Darsteller: Ross, Howard, Gastoni, Lisa, Ferrer, Mel, Franchetti, Andrea, Trentephol, Karin
Untertitel: ‎Deutsch, Englisch
Sprache: ‎Italienisch (DTS-HD 2.0)
Studio: ‎Cineploit Records

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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