Die Legende vom Ozeanpianisten

Die Legende vom Ozeanpianisten

La leggenda del pianista sull’oceano (The Legend of 1900, Die Legende vom Ozeanpianisten) ist ein Musikfilm-Drama von Giusepppe Tornatore aus dem Jahr 1998.

Um die Jahrhundertwende wird ein Waisenkind auf einem Ozeandampfer aufgefunden. Die Belegschaft im Maschinenraum behält den kleinen und zieht ihn auf. Sie nennen ihn 1900, und er wächst auf dem Schiff auf ohne jemals an Land gewesen zu sein. Der erwachsene 1900 (Tim Roth) entpuppt sich zudem als meisterhafter Pianist und erarbeitet sich fortan Ruhm und Zuneigung unter Passagieren, er begleitet sie von Europa nach Amerika und zurück, ob erste oder letzte Klasse. Sein guter Freund Max (Pruitt Taylor Vince) der Trompeter in der Band, will ihn immer wieder dazu überreden, doch auch mal an Land zu gehen. Doch nachdem 1900s Herz einmal von einer mysteriösen Fremden Dame (Mélanie Thierry) gebrochen wurde, zieht er sich wieder in die Welt zurück die er kennt: das Schiff….. Erzählt wird der Film allerdings aus Max‘ Perspektive in Form einer Rückblende, als er im Trödelladen eines alten Manns (Peter Vaughan) auf wundersame Weise die einzig existierende Schallplattenaufnahme von Novecentos Klavierkunst auffindet….

Die Legende vom Ozeanpianisten

Vorweg, ich bin kein großer Fan von Tim Roth (Four Rooms). Er ist mir zu exzentrisch, ich mag seinen Akzent nicht und störe mich meist an seinen Darbietungen, obgleich sie handwerklich solide sind, abgesehen davon dass ich einfach mit seinem Stil nicht warm werde, sprich, ich halte ihn dennoch für einen großem Schauspieler, komme halt einfach mit ihm nicht klar. Dabei gehört diese Rolle vermutlich zu einer seiner allerbesten. Der durch sein Aufwachsen auf dem Luxusdampfer leicht verkorkste Klaviergott mit seltsamen Marotten aber grenzenlosem Talent, das liegt ihm. Dabei könnte man sagen er spielt hier sowieso gar nicht die Hauptrolle, das fallt Pruit Taylor Vince (Leon – der Profi) zu, der hier eine denkbare Performance abliefert, in den Folgejahren aber eigentlich in der Senke verschwand. Was in dem Zusammenhang nun gesagt werden muss ist, dass sich die zwischenmenschlichen Beziehungen in dem Film in erster Linie in Max‘ Bewunderung für und Sorge um 1900 erschöpfen, einer Männerfreundschaft die ihresgleichen suchen dürfte. Darüber hinaus ist der Film trotz seiner 160 Minuten Laufzeit eine genau genommen recht menschfreie Angelegenheit. Emotionen kommen über Musik und Bilder, kleinere Abenteuer, Dramatik, aber herrje warum Mélanie Thierry (The Zero Theorem) keine zwei Minuten Bildschirmzeit bekommt leuchtet mir nicht ein. Es ist ein seltsam asexuelles Portrait, der Film hätte radikal anders ausgesehen wenn Bertolucci ihn gemacht hätte, vermutlich.

Die Legende vom Ozeanpianisten

Giuseppe Tornatore (Cinema Paradiso, Malena, Ennio) zeigte mit dieser internationalen Produktion, sein erster nicht italienischer Film, dass er auch aufwendige Drehs meistern konnte und man könnte fast sagen er wollte sich damit sicherlich in die ganz großen Einreihen. Ein Vergleich mit Sergio Leone liegt nah, wobei ich finde dass er doch eher ein Geschichtenerzähler der alten Schule ist. Leone hätte aus diesem Film ein Meisterwerk gemacht, Tornatore hat einen großartigen Film gemacht der an vielen Stellen schwächelt. Manchmal stimmt der Ton des Films nicht ganz, schwankt zwischen ernst und traurig und fast schon Slapstick. Er nimmt sich unglaublich viel heraus, 1900s Welt darzustellen, vergisst dabei aber mehr Aufmerksamkeit den Menschen zu widmen, so werden viele Rollen austauschbare Pappkameraden.

Tornatore übrigens drehte eine großartige Doku über Leben und Werk von Ennio Morricone, Ennio, der letztes Jahr auch im Kino zu sehen war und zeitgleich mit diesem Film von Plaion Pictures ins Heimkino kommt. Eine hochgradig empfehlenswerte Dokumentation. Ennio Morricone hat mit dem Soundtrack zum Ozeanpianisten vermutlich technisch einiges geleistet, aber weder der Wiedererkennungswert noch die Wucht dieses Soundtracks kann es mit unzähligen anderen seiner Kompositionen aufnehmen, inklusive derer für andere Tornatore Filme. Ebenso wie die Charaktere im Film ist das Motiv hier einfach nicht sehr markant, obwohl die Klaviereinlagen insgesamt beeindruckend sind. Imposanter an dem Film ist eigentlich das Bild, und hier nicht nur Lajos Koltais Kamera (Just Cause) sondern gerade auch das Bühnenbild, mit beeindruckenden Sets, einigen etwas in die Tage gekommenen Digitaleffekten und vielen Komparsen.

Die Legende vom Ozeanpianisten

Zu den Fassungen: Nun kenne ich die internationale Fassung nicht. Die Langfassung (2 Stunden 46 Minuten) die ich hier geguckt habe wurde außerhalb Italiens wohl nie gezeigt (deshalb gibt es die u.a. auch nicht mit deutschem Ton), was ich sehr schade finde. Denn, ich kann mir einfach nicht vorstellen dass der Film mit ganzen 40 Minuten weniger Inhalt besser sein soll. Wie schon bei Cinema Paradiso (der in Weinsteins internationaler Kurzfassung vieles an erwachsenem Material und Ernsthaftigkeit verliert und zum reinen Schmalz verkommt – immerhin am Ende dennoch ein überragender Film, aber guckt mal die Originalversion!) oder bei Malena, der fürs prüde US-Publikum zurecht gestutzt wurde (man muss nicht den Schwerenöter raushängen lassen, aber das ist nun mal ein Film der von sexuellem Durst lebt und davon handelt), war wohl auch hier wohl wieder kein Verleih dazu bereit, dem internationalen Publikum popelige 40 Minuten mehr an Geduld abzuverlangen. Der Schnittbericht zeigt zwar auch viele Effizienzschnitte, aber es geht halt auch sehr viel an Tiefe unnötig verloren. Wie dem auch sei, Cineasten sollten meiner Meinung nach einfach diese extra Minuten Laufzeit nicht scheuen und einen deutlich tieferen Film genießen, aber die internationale Fassung ist wohl halt etwas mehr auf den Punkt und profitiert hier nun halt von der 4K Restauration auf UHD Scheibe, während die Langfassung „nur“ auf BluRay dabei ist.

Die Legende vom Ozeanpianisten

Mein Fazit zu Die Legende vom Ozeanpianisten? Ein sehr schön gemachter Film der seine Schwächen mit schönen Bildern und einer mitreißenden Story gekonnt kaschiert. Es ist vielleicht Tim Roths beste Rolle, Tornatores aufwändigster Film und aber definitiv nicht Morricones beste Arbeit. Es ist ein Film den man erlebt haben sollte, aber ich will ehrlich sein: unter der Oberfläche findet man zu Hauf Aspekte die klar dagegen sprechen, den Film als Meisterwerk oder so einzustufen. Ich habe ihn dennoch sehr genossen, und kann mir gar nicht vorstellen dass man hier auch mit einer kürzeren als der Langfassung glücklich werden könnte.

Die Special Edition von Plaion Pictures besteht aus einer 4K UltraHD BluRay (internationale Fassung), drei BluRays (internationale Fassung, Langfassung und Extras) und dem Soundtrack auf CD. Eine ziemliche Packung. Für die Rezension stand mir die Langfassung und die Extras-BluRay zur Verfügung.

Das Bild der Langfassung-BluRay sieht sehr gut aus. Ich konnte nicht abschließend herausfinden ob diese Version auch auf einer 4K-Neuabtastung beruht oder ob Medusa wirklich nur die internationale Fassung restauriert hatte (die witzigerweise sogar in China eine Kino-Neuaufführung spendiert bekam). Jedenfalls sieht das Bild ziemlich ordentlich aus, vielleicht kann ich bei Gelegenheit die 4K Scheibe in die Finger bekommen und nochmal den Vergleich wagen. Ich würde mir denken dass man dann sattere Farben und noch mehr Details dieser schönen Aufnahmen genießen kann.

Ähnlich beim Ton, jedenfalls hier klingt das ganz solide, wobei diese Langfassung nie auf deutsche Synchronisiert wurde, man kann die also nur im Originalton (Englisch) sehen mit optionalen deutschen Untertiteln. Für mich genau so wie ich alle Filme sehe. Gute, nicht sehr gute, Dialogverständlichkeit, passabler Raumklang und halbwegs Dynamik. Wer zur internationalen Fassung greift (die mir wie gesagt hier nicht vorlag), der hat natürlich noch die Option eines deutschen Synchrontons, und möglicherweise ist der Ton anders oder besser restauriert und oder abgemischt.

Zu den Extras gehören auf der Langfassung-BluRay lediglich die Trailer (deutsch, englisch, italienisch sowie englischer und italienischer provisorischer Trailer) und eine Bildergalerie. Auf der Extras-BluRay finden sich eine ganze Reihe Dreingaben. Dazu gehört „Giuseppe Tornatore: Every Film my First Film“, eine spielfilmlange (107min, OmU) biographische Dokumentation von 2012 in der viele Beteiligte zu Wort kommen. Das Fahrtenbuch (49min, OmU) – „Giornale di Bordo“ – ist sowas wie ein Besuch am Set und Gespräch mit Tornatore. Aber es kommen auch andere zu Sprache und es gibt Aufnahmen von Dreh und mehr, also ist es schon fast so etwas wie ein vollwertiges Making Of oder ggf. auch Produktionstagebuch. Es ist vermutlich locker 10 Jahre alt. Mit dabei sind ein paar entfallene Szenen (3:22) teils in schlechter Tonqualität (OmU), ein TV-Special (7:40min, OmU) wobei es sich um ein typisches fürs TV produzierte Making-Of Promo Video handelt und das Musikvideo „Lost Boys Calling“. Interessant nun für mich denn das kommt in der italienischen Langfassung gar nicht vor, ich frage mich also gerade was das auf der BluRay macht, haha. Des weiteren gibt es Interviews mit Tornatore (2min, OmU, von damals) und Morricone (40sek, etwas neuer, Interview kann man das aber nicht nennen). Mit dabei sind auch diverse Produktionsvergleiche (Vorher und Nachher: Storyboards, Skizzen, Modelle, SFX…. schön und interessant, teilweise mit Voiceover), sowie ein alternativer Abspann (7min) bei dem ich aber keinen Unterschied sehe, vielleicht ist er einfach im Vergleich zu der Kinofassung anders. Weitere Extras sind möglicherweise auf den beiden Scheiben enthalten, die die internationale Fassung enthalten. Das Digipak enthält ebenfalls ein Booklet.

Fazit: vor allem die spielfilmlange Doku und die Langfassung auf BluRay sind Kaufgründe für diese Edition. Anhänger der internationalen Kinoversion bekommen den Film in hervorragender Qualität, es bleibt aber ein etwas fader Beigeschmack, dass es nur diese Schnittfasung ist die eine UHD Behandlung verpasst bekam.

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Die BluRay-Langfassung und Bonusdisc wurden uns zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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