Die durch die Hölle gehen / The Deer Hunter

Die Freunde Nick und Michael feiern an ihrem letzten Tag in Freiheit die Hochzeit ihres Kumpels Steven. Am nächsten Tag treten die drei ihren freiwilligen Militärdienst in Vietnam an. Bereits nach kurzer Zeit in der dortigen Hölle geraten sie in Gefangenschaft der Vietcong, die mit ihnen ein sadistisches Russisch-Roulette spielen. Schließlich gelingt ihnen die Flucht, doch der Krieg hinterlässt tiefe Spuren. (Weltkino)

Eine großartige Besetzung, darunter Robert De Niro, Christopher Walken, John Cazale, George Dzundza und John Savage, erweckt Michael Ciminos umfangreiches Opus über Stahlarbeiter aus Pennsylvania zum Leben, die durch ihre Erfahrungen in Vietnam traumatisiert werden. Es ist ziemlich interessant, die schnellen Darstellungen, die Hollywood vom Zweiten Weltkrieg bot, sobald dieser Konflikt begonnen hatte, mit ihrer etwas zurückhaltenderen Reaktion auf Vietnam gegenüberzustellen. Während einige weniger bekannte Filme wie Die Boys von Kompanie C. (1978) Michael Ciminos Film vorausdatierten, war es wirklich The Deer Hunter vorbehalten den Vietnamkrieg direkt auf die Kinolandkarte zu bringen. Was sich daran so faszinierend gestaltet, ist die Tatsache, dass ein Großteil des Films außerhalb des kriegszerrissenen Dschungels dieses fernen asiatischen Landes spielt. Doch genau das ist es, was Die durch die Hölle gehen seine unausweichliche emotionale Wucht verleiht. Dies ist ein Film über Kontext, der das häusliche Leben mit den Wirren eines Krieges kontrastiert, was nicht unbedingt bedeutet sich im Kampf zu befinden.

Michael Cimino formt The Deer Hunter als etwas, das den dreifachen religiösen Wandgemälden von früher ähnelt, Triptychen, die drei verschiedene, jedoch miteinander verbundene Tafeln darboten. Es ist erwähnenswert, dass Die durch die Hölle gehen sich bereits weit in der zweiten Stunde der Laufzeit befindet, bevor Vietnam sein hässliches Gesicht zeigt, obwohl der Konflikt sicherlich als ein wesentlicher Bestandteil des Subtexts des ersten Teils des Films zu sehen ist, der die Beziehungen zwischen Michael (De Niro), Nick (Walken) und Steven (Savage) entwickelt. Es wird auch noch eine Handvoll anderer Charaktere in diesem Eröffnungsmanöver vorgestellt, darunter Nicks Freundin (und bald Verlobte) Linda (Meryl Streep). Bewundernswerterweise installiert Cimino hier das Bild einer sehr realen Arbeitergemeinschaft, mit einigen kleinen erzählerischen Momenten, die sofort die Umgebung dieser Charaktere vermitteln. Momente wie der, wo Lindas Vater sie in einer frühen Szene zum Gehorsam prügelt, oder das scherzhafte Zusammenspiel der Jungs, als sie ein letztes Mal auf Hirschjagd gehen, bevor Nick, Steven und Michael ihre Dienstreise nach Vietnam antreten müssen. Das erste Drittel des Films gestaltet sich in gewisser Hinsicht als der langsamste Aspekt von The Deer Hunter, Geduld wird jedoch mehr als belohnt, wenn der zweite und dritte Akt viele der in diesem Segment eingeführten Charaktereigenschaften erneut beleuchten.

Der Film nimmt im zweiten Akt eine plötzliche und gewalttätige Wendung, als nach Vietnam geschaltet wird, mit einer verheerenden Reihe von Szenen, die das Publikum sofort wissen lassen, dass man sich in einer fremden neuen Welt befindet, in der jeglicher Anschein von Moral auf der Strecke geblieben ist. Das Gefühl der moralischen Verwirrung nimmt exponentiell zu, als die drei Kumpels in einem Gefangenenlager der Vietcong landen. Hier kann man den zentralen emotionalen Einfluss von The Deer Hunter wahrscheinlich am stärksten spüren. Die Vietcong lassen die Gefangenen zu ihrer Unterhaltung russisches Roulette spielen, während Michael und Nick (zumindest relativ gesehen) besser mit diesem unmenschlichen Stress umgehen können, beginnt Steven unter dem Druck zusammenzubrechen, was zu einigen schlimmen Resultaten führt. Michaels schnelles und kluges Schalten führt letztendlich dazu, dass das Trio eine Flucht in einer der viszeralsten Sequenzen des Films durchziehen kann, aber das emotionale Trauma, das Nick und Steven durchgemacht haben, färbt den Rest des Films auf unerwartete Art und Weise ziemlich dunkel.

Der dritte Akt lässt unsere „Helden“ in die USA zurückkehren und konzentriert sich dabei hauptsächlich auf Michael, dessen lange, unerwiderte Liebe zu Linda wieder beginnt an die Oberfläche zu drängen. Ohne denjenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, wichtige Handlungspunkte zu verderben, müssen sich sowohl Steven als auch Nick mit verschiedenen physischen oder / und emotionalen Kalamitäten auseinandersetzen, wobei diese Konfrontationen dem Film einen Impuls verleihen, der auf dem Weg zu einer klimaktischen Szene (die einen der aufregendsten Momente der gesamten Filmgeschichte repräsentiert) zwischen Michael und Nick ins Wanken gerät. Eine Art Coda (buchstäblich und im übertragenen Sinne, da sie gesungen wird) versammelt mehrere Schlüsselfiguren in einer örtlichen Kneipe, die nach einer unheilvollen Tragödie einen ziemlich übel gelaunten Vers von „God Bless America“ singen. Dies stellt einen Moment dar, der ohne jegliche Ironie präsentiert wird und deswegen eine Szene von unglaublicher emotionaler Wirkung versinnbildlicht.

Es gibt nur wenige Regisseure in Hollywoods Annalen, die so schnell aufgestiegen und dann so katastrophal schnell wieder gefallen sind wie Michael Cimino. Nachdem er Clint Eastwood mit seiner Arbeit an Magnum Force (Dirty Harry II – Callahan, 1973) beeindruckt hatte, entschied sich Eastwood auch für Ciminos Drehbuch zu Thunderbolt und Lightfoot (Die Letzten beißen die Hunde, 1974), der dann erfolgreich genug war, sodass Cimino sein eigenes Skript für seinen Nachfolgefilm schreiben konnte. Cimino wandte sich für The Deer Hunter an seinen Co-Autor von Silent Running (Lautlos im Weltraum, 1972) Deric Washburn (der dritte Autor von Silent Running war Steven Bochco) und Washburn lieferte zumindest einen Entwurf für das ab, was letztendlich zu Die durch die Hölle gehen werden sollte. Laut Kameramann Vilmos Zsigmond favorisierte Cimino Improvisation und ermutigte seine Schauspieler sich über die Grenzen des eigentlichen Drehbuchs hinaus auszutoben, was durchaus dazu beitrug, dem Streifen ein derartig viszeral reales Gefühl zu verleihen. Obwohl es nicht zu leugnen ist, dass auch hier Elemente des Exzesses vorhanden sind, die Ciminos nächsten Film Heaven’s Gate (und infolgedessen im Großen und Ganzen auch seine Karriere), trotz seiner Länge und zuweilen langsamen Tempos zum Scheitern verurteilen sollte, erweist sich The Deer Hunter als sorgfältig strukturiert und brillant inszeniert. Eine junge und noch relativ unerfahrene Besetzung leistet ebenfalls hervorragende Arbeit, wobei Christopher Walken für seine Vorstellung den verdienten Oscar als bester Nebendarsteller erhielt.

Die durch die Hölle gehen ist jedoch keineswegs als ein perfekter Film zu bezeichnen. Es wurde viel über die Verwendung des russischen Roulettes als zentrale Metapher geschrieben, auch wenn es kaum Belege dafür gibt, dass der Vietcong jemals an dieser Art von emotionaler (und physischer) Folter beteiligt war. Eventuell wird dabei aber auch Ciminos größeres Anliegen übersehen, dass jeder, der in einen Krieg verwickelt ist, auf sehr reale Weise russisches Roulette spielt, ob man nun will oder nicht. Es mag historisch nicht akkurat erscheinen (und es mag wahrlich etwas zu provokativ geraten sein), doch emotional scheint es – nun, auf den Punkt gebracht. Der Film hätte wahrscheinlich um mindestens eine halbe Stunde oder mehr gekürzt werden können und hätte seine Botschaft dennoch abgeliefert, während seine Diskursivität (eine Eigenschaft, die bei Heaven’s Gate völlig außer Kontrolle geriet) einige Kritiker dazu gebracht hat, nichts im Zentrum des Films finden zu können, was ein großer Fehler sein könnte. Trotzdem ist Die durch die Hölle gehen über dreißig Jahre nach seiner Veröffentlichung immer noch eine der emotional heillosesten Erfahrungen, die je auf Zelluloid gebannt wurden.

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Darsteller: John Cazale, John Savage, Meryl Streep, Christopher Walken, Robert De Niro
Regisseur: Michael Cimino
Untertitel: Deutsch
Region: Region B
Bildformat: 16:9 – 2.35:1
Anzahl Disks: 1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Weltkino (Vertrieb Universum Film)
Produktionsjahr: 1978

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Diese BluRay sowie das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von Weltkino zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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