Die Rache des Paten / Quelli che contano / Cry of a Prostitute

Don Ricuzzo Cantimo steht auf der Abschussliste der sizilianischen Mafia. Seine unwürdigen Geschäftsmethoden – Heroinschmuggel in Körpern von toten Kindern – werden von der Familie nicht länger geduldet. Für diesen Job heuert die Mafia den kaltblütigen und unbarmherzigen Auftragskiller, Tony Aniante, an. Tony, der gerade aus Amerika zurück ist, ist der Beste auf seinem Gebiet. Wer sein Pfeifen hört, ist bereits so gut wie tot. Innerhalb von kurzer Zeit gelingt es ihm, die zwei örtlichen Banden von Don Ricuzzo und Don Turi gegeneinander auszuspielen. Ungeplante Ereignisse drohen jedoch, den Plan komplett zu durchkreuzen. Tony hat aber noch ein weiteres Ass im Ärmel…und darüber hinaus noch eine alte Rechnung zu begleichen. (filmArt)

Bevor er die italienischen Giallo- und Horror-Filone mit Strip Nude for Your Killer (Nude per l’assassino, 1975) und Die Rückkehr der Zombies (Le notti del terrore, 1981) in ungeahnte Absurditäten und Verdorbenheit beförderte, hatte Regisseur Andrea Bianchi mit dieser unglaublich schmierigen Suhle der Gewalt bereits einen der fiesesten Streifen des Mafia-Genres erschaffen. Unnötig zu erwähnen, dass man Die Rache des Paten nicht verpassen darf! Bianchi führte bei diesem wunderbar schmierigen kleinen Mafia-Film mit sehr viel mehr Elan Regie, als bei seinem späteren „Klassiker“ Le notti del terrore. Das bedeutet allerdings nicht, der Film wäre perfekt, denn er ist alles andere als geschmeidig. Bianchi zeigt zwar die meiste Zeit über viel Gespür für die ländlich provinzielle Umgebung, doch gleichzeitig reichert er den Streifen mit viel mehr Blut und grauenhaften Sequenzen an, als sie normalerweise in diesen Filmen zu finden sind (und das sagt schon eine Menge aus!). Da keinerlei Staatsgewalt in Form von Polizei in Sicht ist, handelt es sich hierbei ausschließlich um einen Mafiafilm, der sich auf schwerem Bahnhofskino-Gebiet befindet. Bianchi schleudert die politische Korrektheit für eine vollkommen verrückte 92 bzw. 97 minütige Achterbahnfahrt an ausufernder Böswillig- und Frauenfeindlichkeit über Bord.

Hier gibt es wirklich keine positiven Charaktere zu finden, außer eventuell ein junges Paar, das allerdings auch alles andere als Gerechtigkeit zu spüren bekommt. Henry Silva ist der „Aufräumer“, der nach Sizilien gerufen wird, um den Heroinschmuggel in Leichen toter Kinder zu untersuchen und dabei nicht gerade zimperlich mit seinen Antagonisten umgeht. Selbst bei dieser riesigen Schurken-Galerie von Bösewichten ist es Silva vorbehalten der fieseste und ruchloseste zu sein (die Bezeichnung „Held“ ist nicht einmal im Entferntesten angebracht), der Bouchet in zwei Sequenzen, die nicht so leicht zu vergessen sind, brutal misshandelt und dem Rest der Besetzung hässliche Schusswunden zufügt. Doch auch andere unangenehme Momente lassen einem die Kinnlade runterklappen, zum Beispiel, wenn ein bereits toter Mafioso mit einer Kreissägen in zwei Teile zerlegt wird. Die Rache des Paten schafft es dabei doch tatsächlich mehrere Sergio Leone-Filme gleichzeitig zu zitieren, wobei die Handlung eine weitere Variation von Dashiell Hammets hard-boiled Klassiker Red Harvest darstellt (der Inspiration für Yojimbo, Für eine Handvoll Dollar und Last Man Standing war) und in den mysteriösen Rückblenden zu einer idyllischen Romanze, die in einem Trauma endet, wird man unweigerlich an Todesmelodie, Spiel mir das Lied vom Tod und Für ein paar Dollar mehr erinnert. Aufgrund dessen musste wohl nicht sehr viel Zeit für das kreieren eines Drehbuches „verschwendet“ werden. Nichtsdestotrotz fühlen sich die vielen grandiosen Leone-Nuancen recht frisch an.

Die allgegenwärtige und äußerst hinreißende Barbara Bouchet spielt die wild imprudente Anbieterin von extrem hartem Sex namens Margie, die eine Prostituierte aus Amerika und gleichzeitig Don Cantimos Ehefrau ist. Es scheint, als würde er mit ihrem promiskuitiven Verhalten einverstanden sein, solange sie ihm später die schäbigen Details mitteilt. Die Atmosphäre des Films wird in einer Dinner-Szene mit Anianti, Cantimo und Margie perfekt zusammengefasst. Während die Männer über ihr Essen reden sind Margies Augen nur auf Anianti gerichtet, wobei sie sanft an einer Banane saugt. Die Gewaltstufe des Streifens konkurriert mit Bianchis bereits weiter oben erwähntem Zombie-Opus, wobei der Gore-Faktor vielleicht nicht so extrem ist, sich das Niveau von Sleaze und allgemeiner Boshaftigkeit jedoch auf Augenhöhe befindet. Es gibt die Dekapitation der Eröffnungssequenz, gefolgt von der schauderhaften Entdeckung des Heroins in der Leiche eines toten Kindes. Außerdem zahlreiche harte Schrotflinten-Action, die stets in karmesinroten Spritzereien endet, sowie die o.g. blutige Halbierung eines der toten Gangster.

Quelli che contano ist ein Mafia-Film der weniger subtilen Sorte, dem nichts heilig ist. Gewalt ist das Gebot der Stunde und die Welt ist voll von völlig verabscheuenswerten Charakteren. Diejenigen, die positiv sind, sind entweder verrückt oder am Ende tot. Selbst die Gebäude sind von Gewalt geprägt, wie die blutbefleckten Mauern der Herberge in der Anianti zu Beginn unterkommt. Die Musik von Sante Maria Romitelli ist unvergesslich und erinnert an Morricone, besonders an die Queues, die an die eindringliche Schönheit von Edda Dell’Orsos Stimme erinnern. Wenn etwas vollkommen über die düstere Atmosphäre dieses Films hinausgeht, ist es dessen Musik. Es gibt einen musikalischen Kniff, der nicht zu irgendeinem Musikstück gehört, doch jedes Mal die Anwesenheit von Silvas Charakter ankündigt. Es handelt sich dabei um eine ominöse Melodie, die von Anianti gepfiffen wird. Diese ist laut und dissonant, was Gewalt vorausahnen lässt. Die Melodie ist zusätzlich Teil eines wichtigen Handlungsstranges, der sich erst spät im Film offenbart.

Die Rache des Paten ist eine erstaunlich geschmacklose Produktion, Andrea Bianchis schmutziges Meisterwerk des Mafia-Rache-Films, das nun legitim auf einer deutschen BluRay/DVD Combo von filmArt erhältlich ist. Mit der Nummer elf ihrer Polizieschi Edition Die Rache des Paten ist filmArt nach Der Berserker wieder ein wirklich großer Wurf gelungen. Der Film ist ganz klar ein Meilenstein des Genres und kommt als ansprechend gestaltete BluRay/DVD Combo (auf 1000 Stück limitiert) mit Wendecover daher. Die technischen Daten wissen auch zu überzeugen, befinden sich allerdings nicht auf aller höchstem Niveau. Ich denke jedoch es wurde das Beste aus dem vorhandenen Ausgangsmaterial herausgeholt. Als Extras wurden der italienische sowie ein US-Trailer, ein interessantes Booklet von Christian Kessler und eine Polizieschi/Gialli Edition Trailer Show auf bzw. in die Combo gepackt. Außerdem warten die Scheiben mit zwei verschiedenen Filmfassungen auf und zwar mit der ungeschnittenen Originalfassung sowie einer erweiterten italienischen Version. Das Skript hat eine Menge an grober Gewalt zu bieten, während Henry Silva seine Gegenspieler genauso kompromisslos wie brutal ausschaltet und diese auch schon mal mit der Dampfwalze überrollt. Ein Sleaze-Fest par excellence, ein Meisterwerk des 70er Bahnhofskinos, das man auf keinen Fall verpassen darf.

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  • Darsteller: Henry Silva, Barbara Bouchet, Fausto Tozzi, Marla Landi, Vittorio Sanipoli
  • Regisseur: Andrea Bianchi
  • Studio: filmArt
  • Produktionsjahr: 1974

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Freigabe: ungeprüft
Fassung indiziert: Ja
Laufzeit: ca. 97 Min.
Regionalcode: RC B
Verpackung: Mediabook
Bildformat: 2,35:1 (1080p)
Tonformat: Deutsch (DTS-HD Master Audio 1.0), Englisch (DTS-HD Master Audio 1.0), Italienisch (DTS-HD Master Audio 1.0)
Untertitel: Deutsch

Extras und Bemerkungen:
– Booklet zum Film von Christian Keßler (16 Seiten)
– 2 Filmfassungen: Ungeschnittene Originalfassung + erweiterte italienische Fassung
– Italienischer Kinotrailer
– US-Trailer
– Giallo + Polizieschi-Trailershow
– Hochwertiges Mediabook im „Arcade-VHS“ Style
– Komplett ungeschnitten
– Limitiert auf 199 Exemplare (nicht nummeriert)
– Blu-ray + DVD

Diese Edition wurde uns freundlicherweise von filmArt zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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