Django – Sein Gesangbuch war der Colt / Le colt cantarono la morte e fu… tempo di massacro / Massacre Time

Django kehrt in seinen Heimatort zurück und muss mit Entsetzen feststellen, dass die Ranch seiner Familie an den alles beherrschenden Scott-Clan verkauft wurde. Als er kurz darauf ein gut gehütetes Familiengeheimnis aufdeckt, bringt er eine Kette von Ereignissen ins Rollen, die alles unwiederbringlich verändern. (Explosive Media)

Der erste Italo-Western unter der Regie von Horror-Maestro Lucio Fulci und der zweite von dreien (in 1966) mit Franco Nero. Es sollte eine italienisch-spanische Koproduktion werden, wobei der spanische Schauspieler George Martin ursprünglich als Protagonist des Films besetzt wurde. Doch die Spanier zogen sich aus dem Projekt zurück, weswegen Regieassistent Giovanni Fago vorschlug Franco Nero unter Vertrag zu nehmen, der gerade einen Film mit dem Titel Django fertiggedreht hatte. Fernando Di Leos Drehbuch lässt an Il ritorno di Ringo (Ringo kehrt zurück, 1965) erinnern, auch wenn der Film nicht notwendigerweise nach dem Bürgerkrieg spielt. Außerdem hat der Film noch starke freudianische Untertöne (Fulci gab einst zu, dass Raoul Walshs Pursued (Späte Rache, 1947) eine Quelle der Inspiration gewesen ist) und eine melodramatische Handlung zu bieten, ähnlich der von Texas, Addio (Django – Der Rächer, 1966), Neros drittem Italo-Western aus dem Jahr 1966.

Goldsucher Tom Corbett (Franco Nero) wird von einem alten Freund der Familie kontaktiert und gebeten sofort nach Hause zu kommen. Die Corbett-Ranch ist jetzt Eigentum der Familie Scott, während sich Toms Bruder Jeffrey (George Hilton) zum Dorftrottel entwickelt hat, der nur für seine Whiskeyflasche lebt. Während Tom beginnt zu investigieren, werden einige der Menschen um ihn herum ermordet, doch bemerkenswerterweise versuchen die angeheuerten Killer nie ihn zu töten. Laut seinem Bruder wollen sie ihn nicht umbringen. Von all dem verwirrt, beschließt Tom der Scott-Ranch einen Besuch abzustatten und mit dem alten Patriarchen der Familie zu sprechen. Er wird jedoch von Scott junior (Nino Castelnuovo) herausgefordert. Der Psychopath mit Bullenpeitsche, prügelt Tom beinahe zu Tode, doch wieder wird sein Leben aus unerklärlichen Gründen gerettet. Jeffrey scheint dies alles noch immer mehr oder weniger zu amüsieren, doch dann wird die alte indianische Dienerin der Corbetts (die die beiden Brüder großgezogen hat) getötet, weswegen Jeffrey nun beschließt seinem Bruder die volle Wahrheit zu sagen.

Der Streifen repräsentiert einen sehr wichtigen Film für die Karriere von mindestens drei Personen. Fulci war noch immer ein zweitklassiger Regisseur, der nur von kleineren Produktionen angefragt wurde und wenn Massacre Time gescheitert wäre, wäre seine Karriere möglicherweise beendet gewesen. Für Nero war sein Erfolg eine Bestätigung seiner Fähigkeit als Western-Schauspieler, wobei die drei Filme, die er in diesem Jahr drehte, ihn auf die Position des beliebtesten italienischen Actionstars katapultierten, die zuvor von Giuliano Gemma gehalten wurde. Für den uruguayischen Schauspieler George Hilton bedeutete es den Beginn einer sehr erfolgreichen Karriere innerhalb der italienischen Filmindustrie. In mehreren Interviews hat Hilton bestätigt, dass er fast alles seiner Rolle des Betrunkenen in Django – Sein Gesangbuch war der Colt zu verdanken hat. Er wurde von Fulci persönlich ausgewählt, der ihn wahrscheinlich im Film haben wollte, weil Hilton einige Erfahrungen als Bühnenschauspieler aufweisen konnte und Fulci einen ausdrucksstarken Schauspieler für diese Rolle besetzen wollte. Man muss schon sagen, dass dies eindeutig Hiltons Film gewesen ist. Nero, der Clint Eastwoods Outfit aus Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar, minus Poncho) trägt, zeigt sich nicht von seiner besten Seite, hauptsächlich weil ihn das Drehbuch für den größten Teil des Films ziemlich passiv hält. Ironischerweise galt Hilton als der seltsame Mann am Set, nicht nur wegen seiner Nationalität, sondern auch, weil er der einzige war, der Probleme mit Lucio Fulcis Verhalten hatte. Der nämlich schrie die Schauspieler an und schleuderte am Set Gegenstände durch die Luft, wenn er unzufrieden war.

Einige haben sich über das langsame Tempo und den Mangel an Action während der ersten Hälfte (oder sogar zwei Dritteln) des Films beschwert. Der Dialog, zumindest auf Italienisch, klingt zudem ein bisschen theatralisch. Auf der anderen Seite ist der Film wunderschön gefilmt worden, wobei sich Fulcis Bilder oft bemerkenswert gestalten, was Django – Sein Gesangbuch war der Colt zu einem der am besten aussehenden Filme des Genres macht. Lallo Goris Musik präsentiert sich reizend, mit dem Ohrwurm Titelsong A Man Alone (Back Home some Day) von Sergio Endrigo gesungen. Der Film hat mindestens zwei Sequenzen, die zu den denkwürdigsten des Genres zählen: die berüchtigte Bullwhip-Szene mit Castelnuovo in jungfräulichem Weiß, der alle lebenswichtigen Sinne aus Nero heraus prügelt und die gewalttätige, fast hypnotische letzte Schießerei auf der Cross Ranch, mit vielen originellen Aufnahmewinkeln und Nero, der über seinen Gegnern schwebt, in der Luft Sommersaults vollführt und dabei eine Waffe aufhebt, während er auf seinen Füßen landet. Es wird gemunkelt John Woo sei davon inspiriert gewesen. Die Sequenz erweist sich natürlich als höchst unglaubwürdig, aber Fulci zieht das Spektakel der Glaubwürdigkeit gegenüber eindeutig vor (selbst wenn er gar nicht mehr geradeaus gehen kann, schießt Hilton mit äußerster Präzision und schlägt mehrere Gegner K.O.!), weshalb man sich nicht darüber beschweren sollte.

Heute ist die Gewalt in Django – Sein Gesangbuch war der Colt kein Thema mehr, doch zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung war sie es auf jeden Fall. Die italienische Zensur befahl Fulci, sowohl die Eröffnungssequenz (die Hunde-Szene), als auch die Bullwhip-Sequenz zu kürzen und eine Nahaufnahme der beiden ermordeten Carradine Mädchen zu entfernen. Diese geschnittene Version mit einer Länge von 86 Minuten wird als Prima edizione bezeichnet. 1970 wurden die Schnittszenen restauriert, leider jedoch nicht komplett: einige ursprünglich geschnittene Fragmente fehlen noch, wobei viele Debatten über deren Inhalt geführt wurden. Die restaurierte Version mit einer Länge von etwas mehr als 88 Minuten wird als Seconda versione bezeichnet und stellte tatsächlich die längste verfügbare Version dar. 1977 wurde eine spezielle 83-Minuten-Version vorgestellt, wahrscheinlich für Fernsehausstrahlungen. Diese trägt keinen Titel, sie hat nicht einmal eine Nummer, während Interessenten normalerweise geraten wird, sie tunlichst zu vermeiden.

Explosive Media präsentiert den Film erstmals als restaurierte High Definition Neuabtastung, die wirklich gut gelungen ist. Das Bild (2.35:1; 16:9) sieht klasse aus und gibt wenig Anlass zum Meckern. Beim Ton liegen mit der deutschen, italienischen und US-englischen sowie europäisch-englischen gleich vier Spuren vor. Alle vier werden im Dolby Digital 2.0 Format präsentiert und klingen sehr gut. Hier gibt es höchstens minimale Unterschiede im Klang zu erkennen aber auch nur, wenn man sehr genau hinhört. Für Freunde des italienischen Originaltons sind deutsche und englische Untertitel anwählbar.

Extras: Interview mit George Hilton; Audio-Interview mit Lucio Fulci; Diverse Original Kinotrailer; Audio-Kommentar mit Leonhard Elias Lemke + Jonas Erler; Bildergalerie; 2 Cover-Varianten (jeweils 1000 Stück) und 32-seitiges Booklet verfasst von Leonhard Elias Lemke. Neben einer Menge Informationen über Film, Regisseur und Schauspieler wartet das wunderbar designte Booklet mit einer Fülle an Bildern auf.

Explosive Media ist wieder einmal eine klasse Veröffentlichung eines klasse Italo-Western geglückt. Der Film wurde neu abgetastet und im deutschsprachigen Raum zum ersten Mal auf BluRay herausgebracht. Vom technischen Standpunkt aus kann man sehr zufrieden sein, während der Film sowieso mindestens in die Top 50 der besten Italo-Western gehört. Aktuell belegt Massacre Time Platz 31 der SWDB Essential Top 20 Films und Platz 7 der Alternative Top 20. Abschließend bleibt festzuhalten, dass kein Italo-Western Fan oder gar Sammler an dieser Veröffentlichung vorbeikommt. Der Film ist bisher in noch keiner besseren Verfassung erhältlich gewesen und wird es vermutlich in Zukunft auch nicht sein.

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  • Seitenverhältnis : 16:9 – 2.35:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung : Freigegeben ab 18 Jahren
  • Regisseur : Fulci, Lucio
  • Laufzeit : 1 Stunde und 32 Minuten
  • Erscheinungstermin : 12. November 2020
  • Darsteller : Nero, Franco, Hilton, George, Castelnuovo, Nino, Addobbati, Giuseppe, Felleghy, Tom
  • Untertitel: : Deutsch, Englisch
  • Studio : Explosive Media

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Diese Edition wurde uns freundlicherweise von Explosive Media zur Verfügung gestellt.

Das Bildmaterial stammt nicht von dieser Edition.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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