Du kannst anfangen zu beten

Du kannst anfangen zu beten

Adieu l’ami (Du kannst anfangen zu beten oder Farewell, Friend) ist ein italienisch-französischer Thriller aus dem Jahr 1968.

Die Wege der beiden Fremdenlegionäre Dino Barran (Alain Delon) und Franz Propp (Charles Bronson) trennen sich nach Ende des Algerienkriegs. Während Barran als Arzt eigentlich irgendwo gerne ein zivilisiertes Leben beginnen möchte, dreht Propp irgendwie krumme Dinger und verdingt sich sogar als Pimp in eher abgedrehten Zirkeln. Als Isabelle (Olga Georges-Picot) den nach Arbeit suchenden Barran für einen Clou gewinnt, in einer Firma unter der Fassade eines Betriebsarztes in einen Safe einzudringen, bekommt Propp das mit, nicht zur Freude von Barran. Während jedoch Dino dort mit Hilfe der dort ebenfalls undercover angestellten Domique Austerlitz (Brigitte Foisy) – die wegen ihres Namens liebevoll Waterloo genannt wird – eigentlich Dokumente einschmuggeln möchte, wittert Propp einen dicken Geldraub…. es kommt allerdings alles in dem Moment als die beiden erstmal im Tresor stehen und die Tür sich schließt…..

Du kannst anfangen zu beten

Farewell, Friend hatte ich schon mal gesehen vor längerer Zeit. Damals wie heute haut mich der Film nicht um, obgleich die Interaktion zwischen den beiden Stars prima ist und mir gut in Erinnerung geblieben war. Doch den Film nochmal neu zu betrachten und auch (dazu unten mehr) mit Hilfe des Audiokommentars etwas analytischer, trägt dazu bei, dass ich den Film noch etwas mehr schätze als bislang. Ganz grundsätzlich muss man dem Film hoch anrechnen, dass er das Genre des Heist-Movie ein wenig auf den Kopf stellt, hin und wieder versucht, etwas exploitationhaft zu sein und regelmäßig etwas artsy daherkommt. Die beiden Stars nutzen das als ihre Bühne und tänzeln hindurch dass es eine Freude ist.

Du kannst anfangen zu beten

Weniger gut sind bei nicht ganz zwei Stunden Laufzeit die aus meiner Sicht etwas zu dünne Story und die Plausibilität der Darstellung der beiden Hauptcharaktere, aus denen man nie so wirklich schlau wird und sich deren Motivation eher zusammenreimen muss oder sie so hin nimmt wie sie ist. So finde ich auch, dass das Drehbuch (von Sebastian Japrisot, der auch Rider on the Rain verfasste) einem auch einiges an Toleranz abverlangt, vor allem wenn man mal kurz nicht mitdenkt oder nicht aufpasst. Ich musste einen Teil des Films zweimal sehen um zu verstehen warum zum Beispiel am Flughafen plötzlich eine Verfolgungsjagd einsetzt. Manchmal scheint es gar so, als hätten die beiden Stars einfach mehr Spaß dabei gehabt, zwei coole Macker zu mimen als sich über das Drehbuch den Kopf zu zerbrechen. Aber so war europäisches Kino damals: vieles blieb erzählerisch unausgesprochen und man musste als Zuschauender die Lücken füllen.

Um es nochmal positiv zu sehen: wie vorhin schon kurz angeschnitten glänzt der Film durch einen Hauch von Experimentiergeist, der Film wirkt oft etwas freier und ungezwungener als Zeitgenossen, und wechselt durchaus auch Genre und Konzept, so ist er am Ende fast schon ein Verhörkrimi, während er als Heist-Movie beginnt und kurz auch so eine Art Gefängnis-Ausbruch Drama sein könnte. Am Ende nimmt der Film auch interessante Gender-Thematiken auf, über die man nicht zu viel verraten braucht, aber die beiden weiblichen Charaktere sind Schlüsselfiguren eines Dramas in dessem Kern eine total interessante Beziehung zwischen zwei Männern steht, die sich – so auch der Titel des Films – zu Freunden wandeln.

Du kannst anfangen zu beten

Du kannst anfangen zu beten (der Titel schlägt eher in die 80er Cannon-Bronson-Kerbe) ist ein total spannender Thriller, der für Bronson in gewisser Weise einen Durchbruch darstellte. Der Film war in Europa erfolgreich und so ziemlich der letzte bei dem er nicht die klare Hauptrolle innehatte. Interessanterweise glänzt der Film noch mit einem anderen Star, der aber eigentlich außerhalb Frankreichs nicht übermäßig aktiv war (oder gar nicht), nämlich Bernard Fresson (The French Connection), der den Polizeiinspektor spielte. Alain Delon wiederum ist bzw. war ein super Gegenüber für Bronson, und die beiden geben hier jeweils legendäre Performances ab, nicht zuletzt dürfen sie mit verschwitzten nackten Oberkörpern am Ende, und Kampfanzug am Anfang, auf ganz neue Ebenen von Männerfreundschaft spielen, nur um dann von Frauen reingelegt zu werden.

Die BluRay von Koch Films erscheint in drei verschiedenen Cover-Varianten als Mediabook mit BluRay und DVD an Bord, ein Cover davon z.B. exklusiv bei Amazon zu haben. Bis auf ein paar Ausreißer beim Weiß- bzw Farbabgleich und Details bietet der Transfer auf dieser Scheibe ein sehr gutes Bild. Es bewahrt den Vintage-Look des Films, ist ziemlich scharf und kontrastreich und leidet nur ganz minimal unter Kantenglättung. Das Bild ist wie gesagt nicht super konstant, so gibt es auch etwas stark grieselige Szenen und wiederum auch andere die großartig aussehen.

Du kannst anfangen zu beten

Der Ton (Englisch getestet, Französisch stichprobenhaft) klingt ebenfalls sehr gut. Die deutsche Synchronversion ist auch anwählbar. Allerdings gibt es im Menü und per Fernbedienung erstmal keine französische Tonspur, man muss unter den Extras „französische Fassung“ auswählen. Warum das so ist und nicht einfach eine Frage einer Tonspurauswahl haben wir in unserer Besprechung zu Der Coup schon mal näher unter die Lupe genommen (kurz: man hat damals alles einfach zweimal gefilmt, damit weichen die beiden Versionen gegebenenfalls auch visuell leicht voneinander ab aber manchmal kaum bemerkbar). Die französische ist aber genauso lang, hat aber die französischen Credits und weicht an einigen Stellen etwas ab, ist aber soweit ich das stichprobenartig beurteilen kann fast das gleiche, leider gibt es hier keinen Vergleich bei Schnittberichte. Bronson hat da natürlich eine Synchronstimme, während man in der englischen Version Bronson und Delon zu hören bekommt.

Untertitel sind bei der französischen Varianten nur Deutsch, bei der Hauptversion aber in Deutsch oder Englisch auswählbar. Extras sind auch dabei. Der Audiokommentar von meinem Freund Howard S. Berger (A Life in the Death of Joe Meek) sowie Steve Mitchell (King Cohen) und Nathaniel Tompson (Mondo Digital) ist wie immer super informativ, analytisch, nerdy und unterhaltsam. Aufgezeichnet wurde das für die Kino Lorber BluRay (USA). Sehr empfehlenswert und schon alleine deshalb lohnt sich der Kauf dieser Edition finde ich, man kann einfach sehr viel lernen das nicht nur auf diesen Film beschränkt ist. Hinzu kommt ein längeres Interview mit Regisseur Jean Herman (32min mit dt. UT) und ein Interview mit Jean Herman und Drehbuchautor Sebastien Japrisot von damals (3min, s/w mit dt. UT). Abgerundet wird das vom französischen Trailer und eine Bildergalerie.

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(Mediabook-Variante B)

Die BluRay wurde uns zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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