Midnight Killer / Morirai a mezzanotte

Seine Massaker haben einst Kriminalgeschichte gemacht. Der Schlachter verbreitete vor Jahren Panik und Terror in der Stadt. Nach einer Serie sinnloser bestialischer Morde verschwand der geisteskranke Killer in dem Nichts, aus dem er gekommen war… Jetzt regiert wieder die nackte Angst auf den Straßen. Der „Midnight Killer“ ist zu neuem Leben erwacht. Und abermals sind seine Opfer Mädchen und junge Frauen. Warum? Hinter seinen grausamen Bluttaten steckt System. Wer sich mit seiner Vergangenheit beschäftigt, ist dem Tod geweiht! (Wonderworld)

Lamberto Bavas zweiter Giallo stützt sich stark auf die Werke Dario Argentos. Der Film mag sich zwar von überlegenen Vorbildern ableiten, doch Midnight Killer bleibt dennoch einer der genießbarsten Gialli der 80er Jahre. Bava inszeniert den Film mit großem Flair und auch Wirtschaftlichkeit, denn er hat nicht nur das Drehbuch mitgeschrieben, sondern den Film auch geschnitten, weswegen er ein hervorragendes Tempo beibehält, insbesondere im Vergleich zu seinem ersten Thriller, dem effektiven, jedoch überlangen La casa con la scala nel buio (Das Haus mit dem dunklen Keller, 1983). Der Film versteht es nicht nur einige großartige Schockeffekte zu bieten, sondern ist auch durchweg spannend gestaltet worden. Das Finale mag ein wenig unglaubwürdig geraten sein, doch ist man ehrlich, gehört so etwas zum filone dazu. Eine der großen Enthüllungen am Ende arbeitet eine spezifische Anspielung auf L’uccello dalle piume di cristallo (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, 1970) in den Film mit ein, wobei Bava hier nicht nur frühere Werke imitiert. Er schöpft aus einigen der effektivsten Ikonografien des filone und liefert dabei einen Thriller ab, der durchaus für sich allein stehen kann.

Das Drehbuch von Bava und Dardano Sacchetti ist als straff und fesselnd zu beschreiben. Die Vorstellung eines legendären Mörders, der offenbar aus dem Grab zurückkehrt, um seine blutige Arbeit fortzusetzen, erinnert an die Slasher-Filme der 80er Jahre, in denen Jason Voorhees, Michael Myers und andere unaufhaltsame Bogeymen immer wieder zurückkehren, um weitere Opfer zu fordern. Bava und Sacchetti verwenden diese Idee als Ausgangspunkt, entwickeln sie jedoch glaubwürdiger und realistischer. Ihr Mörder stellt keine übernatürliche Entität dar, sondern einen sehr menschlichen Psychopathen mit einem unaufhaltsamen Drang zu töten. Strukturell ist der Film insofern als etwas ungewöhnlich zu bezeichnen, da er an mehreren Stellen die Sichtweise verschiebt. Schon früh liegt der Schwerpunkt auf dem Charakter von Nicola, der beschuldigt wird, seine Frau in eifersüchtiger Wut ermordet zu haben. Die Akzentuierung verlagert sich dann jedoch auf Inspektor Terzi, der die Vorstellung ablehnt, der „Mitternachtsmörder“ wäre zurückkehrt, um seine Verbrechen fortzusetzen.

Dann konzentriert sich der Film auf Terzis Tochter Carol, die möglicherweise das aktuellste Opfer des Mörders werden könnte. Der wechselnde Mittelpunkt überrascht den Betrachter und macht es schwierig, sich mit einer Figur als Protagonisten zu identifizieren. Glücklicherweise sind die drei Charaktere gut genug gezeichnet (und dargestellt), um das Interesse des Publikums aufrecht zu erhalten. Bava würde später in einem Interview behaupten, dass es ihm sehr unangenehm war, Gialli zu drehen: „Ich finde Szenen, in denen Frauen erstochen werden, abstoßend. Dario Argento macht das so gut, doch ich fühle mich krank, sobald ich das Messer in der Hand des Mörders sehe.“ Allerdings lässt sich dies nicht durch die bösen Mordszenen in diesem Film bestätigen. Eine Figur versucht sich mit einem fies aussehenden Handmixer mit scharfen Zacken zu verteidigen, doch das Verlängerungskabel ist zu kurz, weswegen auch sie die Bekanntschaft des Killermessers macht. Der Mörder geht an diesem Punkt sogar noch einen Schritt weiter, indem er mit diesem Mixer die Genitalien der toten Frau verstümmelt.

Es gibt einen sehr brutalen Duschmord à la Psycho (1960) zu bestaunen, wobei das Blut auch in den anderen Mordszenen ziemlich frei fließt. Der Film funktioniert jedoch nicht nur auf der Grundlage dieser Szenen; es handelt sich um einen gut gemachten Film mit beeindruckender Kinematographie von Gianlorenzo Battaglia (der in dieser Zeit viele von Bavas Streifen gedreht hat) und einer starken Kerngeschichte. Die Musik von Claudio Simonetti kommt ebenfalls sehr effektiv rüber. Das Eröffnungstitelthema mit seiner Mischung aus Techno-Beats und klassischen Violinen repräsentiert eine seiner beeindruckendsten Kompositionen. Paolo Malco liefert eine gute Leistung als zynischer Inspektor Terzi ab. Er verleiht dem Charakter eine schöne Portion schlauen Humors und kommt durchweg glaubwürdig rüber. Lara Wendel spielt seine Tochter Carol auch sehr effektiv als die willensstarke Kriminalpsychologin, die sich bis zum Hals in diese Mordserie verwickelt wird.

Wendel ist als eine sympathische Präsenz zu beschreiben, was sicherlich dazu beiträgt, dass man mit ihr mit fiebert, wenn sie gegen den Mörder antritt. Sie legt auch mehr Klugheit an den Tag, als es die Norm ist, wenn sie versucht den Mörder zu überlisten. Die Schauspielerin wurde 1965 in München unter dem Namen Daniela Rachele Barnes geboren. Sie gab ihr Debüt mit einer kleinen Rolle in Mio caro assassino (My Dear Killer, 1972) und trat auch in Grenzgialli wie Damiano Damianis Girolimoni, il mostro di Roma (Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom, 1972) und Francesco Barillis Il profumo della signora in nero (Das Parfüm der Dame in Schwarz, 1974) auf, bevor sie eine substanziellere Rolle in Dario Argentos Tenebre (Tenebre – Der kalte Hauch des Todes, 1982) übernahm. Neben italienischen Horrorfilmen wie Zombie 5: Killing Birds (1987) war sie auch in eher arthouse-artigen Filmen wie Michelangelo Antonionis Identificazione di una donna (Identifikation einer Frau, 1982) und Federico Fellinis Intervista (Fellinis Intervista, 1987) zu sehen. Sie hörte Anfang der 80er Jahre auf zu schauspielern.

Leonardo Treviglio leistet ebenfalls gute Arbeit als Nicola. Treviglios spürbare Wut über die Untreue seiner Frau lässt einen unsicher werden, ob man seine Unschuldsansprüche akzeptieren soll oder nicht, denn seine Vorstellung gestaltet sich angemessen zweideutig. Treviglio wurde 1949 in Mailand geboren und gab sein Filmdebüt als Titelfigur in Derek Jarmans Sebastiane (1976). Er erschien in Filmen wie Bernardo Bertoluccis Stealing Beauty (Gefühl und Verführung, 1996), Dario Argentos Il fantasma dell’opera (Das Phantom der Oper, 1998) und Julie Taymors Titus (1999). Lamberto Bavas nächster Giallo würde sich als sein ungewöhnlichster herausstellen: Le foto di Gioia (Das unheimliche Auge, 1987).

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  • Darsteller: paolo malco, leonardo treviglio
  • Regisseur(e): lamberto bava
  • Format: PAL
  • Sprache: Italienisch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0), Spanisch (Dolby Digital 2.0)
  • Untertitel: Italienisch
  • Region: Region 2
  • Bildseitenformat: 16:9
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Freigegeben ab 18 Jahren
  • Produktionsjahr: 2014

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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