Jack el destripador de Londres / Sette cadaveri per Scotland Yard / Seven Murders for Scotland Yard

In London werden fünf Morde an jungen Frauen begangen, wobei Kommissar Henry Campbell den Ex-Trapezkünstler Pedro Doriani in Verdacht hat. Obwohl Doriani unschuldig ist, versteckt er sich bei einer Bekannten. Von seiner Schuld überzeugt, heuert sie drei junge Männer an, die Pedro der Polizei ausliefern sollen, allerdings bei dem Versuch scheitern ihn zu stellen. Zwischenzeitlich steigt die Zahl der ermordeten Frauen auf sieben…

Jack the Rippers grausame Taten haben im Laufe der Jahre eine Reihe von Thrillern inspiriert, darunter auch diesen spanischen Beitrag von Genre-Legende Paul Naschy. Der Film ging im Juni 1971 in Produktion, kurz nach der Fertigstellung und Veröffentlichung von La noche de Walpurgis (Nacht der Vampire, 1971) – dem Flick, der Naschys Ruf als primärer Horrorstar des spanischen Kinos letztendlich richtig festigte. Die Dreharbeiten vor Ort in England haben Naschy eventuell auch dazu inspiriert, einen seiner kühnsten „Monster-Mashup“-Streifen zu drehen, Doctor Jekyll y el Hombre Lobo (Die Nacht der blutigen Wölfe, 1972), der einige Monate später produziert wurde. Die Jahre von 1971 bis 1973 bedeuteten besonders aktive für Naschy, der in dieser Zeitspanne in nicht weniger als 15 Spielfilmen mitwirkte (und oftmals auch das Drehbuch schrieb) – ein ziemliches Pensum, wobei die Ergebnisse in ihrer Effektivität zwangsläufig variieren sollten.

Jack el destripador de Londres markiert Naschys Debüt als Autor von gialli, obwohl er bereits in einem obskuren spanischen Thriller aufgetreten war, bevor er zu einer Genre-Ikone wurde, nämlich Agonizando en el crimen (1968). Der Drehbuchautor / Schauspieler war sich des italienischen giallo-Genres durchaus bewusst und verfasste ein Drehbuch, das Jack the Rippers Geschichte modernisierte und gleichzeitig die sensationslüsternen sowie reißerischen Elemente hervorhob, wie es sich für einen Film dieses Genres gehört. Klassischerweise bestehen die ersten Opfer aus Prostituierten, doch der Mörder legt ein morbides Bedürfnis an den Tag, sich mit seinen Morden zu renommieren, also fängt er irgendwann damit an auch noble, adlige Damen zu zerstückeln. Laut einem seiner spöttischen Briefe an die Polizei möchte er beweisen, dass überhaupt kein blaues Blut durch die Adern dieser Frauen fließt, sondern deren Lebenssaft desselben Rottons ist, wie der von allen „gewöhnlichen“ Menschen.

Naschy spielt die Rolle eines italienischen Einwanderers namens Pedro, der ein ehemaliger Trapezkünstler ist, wobei sein muskulöser Körperbau dies auch glaubwürdig genug erscheinen lässt. Seinen eigentlichen Beruf kann er jedoch aufgrund einer schlimmen Beinverletzung (weswegen er sich mit einem deutlich erkennbaren Hinken fortbewegt) nicht mehr ausüben. Seltsamerweise steht Naschy über weite Strecken des Films überhaupt nicht im Fokus der Erzählung – stattdessen konzentriert sich der Streifen viel mehr auf die Polizei, während Kommissar Campbell durch die Ermittlungen stolpert. Die Sequenzen der Polizeiarbeit gestalten sich zugegebenermaßen recht langweilig und tragen dazu bei das Tempo zu drosseln, doch wenn sich die Dinge stattdessen auf die reißerischen Elemente konzentrieren, versteht es Jack el destripador de Londres doch einigermaßen abzuliefern.

Das Ansprechende an Naschys Arbeit stellt seine offensichtliche Kenntnis und Zuneigung für das Genre dar. Im Gegensatz zu jedem anderen Horrorfilmstar, der einem in den Sinn kommt, identifizierte sich Naschy aus freien Stücken mit dem Genre – er ist nicht zufällig darauf gestoßen und er hat sich nie dagegen gewehrt oder daran gedacht, seine Fähigkeiten außerhalb des Genres unter Beweis stellen zu müssen. Selbstverständlich war er auch in anderen Genres unterwegs, kam aber immer wieder zu den Horror- und Krimi-Themen zurück, da diese eindeutig seine wahre Leidenschaft bedeuteten. Es muss allerdings erwähnt werden, dass von Naschys drei gialli (Los ojos azules de la muñeca rota / Blue Eyes of the Broken Doll von 1974; Una libélula para cada muerto / Todeskreis Libelle von 1975) Jack el destripador de Londres sicherlich der schwächste ist – man bekommt das Gefühl, dass der Drehbuchautor versucht in vergleichsweise frischem und unerprobtem Terrain Fuß zu fassen, was zu einem sehr unausgewogenen Film führt. Trotzdem sind die besten Szenen des Flicks als ansprechend zu bezeichnen, während er sicherlich ein solides Beispiel für das Genre darstellt.

Die Herangehensweise des Regisseurs José Luis Madrid erweist sich als ein bisschen schwerfällig und konventionell, mit vielen Handkameraaufnahmen aus der Egoperspektive während der Mordszenen und einer völlig uninspirierten Darstellung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Trotzdem gelingt es ihm im letzten Akt ein wenig Spannung zu erzeugen und nebenbei gibt es auch noch einige schön inszenierte Actionszenen zu „bestaunen“ – wobei zu beachten ist, dass die Szene, in der Pedro von drei Schlägern angegriffen wird (die ihn den Behörden ausliefern wollen), dadurch entwertet wird, dass die drei Männer nur dumm herumstehen und darauf warten, endlich verprügelt zu werden, während Naschy sie einen nach dem anderen zu Hackfleisch verarbeitet. Nichtsdestotrotz profitiert der Film von einer sehr guten Ausleuchtung und einer attraktiven Rahmung in Techniscope von Kameramann Diego Úbeda. Darüber hinaus steuert Piero Piccioni einen exzellenten Soundtrack bei, der voller angespannter Suspense-Cues sowie von loungiger Güte ist. Wahrscheinlich handelt es sich hier um seinen besten Beitrag zum Genre des giallo, der seine etwas enttäuschende Arbeit an italienischen Einträgen wie Senza via d’uscita (Devil’s Ransom, 1970) oder In nome del padre, del figlio e della Colt (The Masked Thief, 1971) sicherlich übertrifft.

Der Film repräsentiert nicht gerade eine von Naschys denkwürdigeren Vorstellungen, als Pedro hinterlässt er jedoch einen recht anständigen Eindruck. Den größten Teil des Films verbringt er damit seine Unschuld zu beweisen, wobei das Publikum dabei nie wirklich ins Zweifeln gerät. Sicherlich wusste er eine solche Charakterrolle nach einer Reihe von Werwolf-Auftritten zu schätzen, doch wie bereits erwähnt, wird Pedro für lange Zeit ins Abseits gedrängt und erwacht eigentlich nur dann richtig zum Leben, wenn er seine Fäuste während einiger ausgedehnter Kampfszenen einsetzen kann.

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Alterseinstufung: Nicht geprüft
Medienformat:‎ PAL
Untertitel: ‎Italienisch
Sprache: ‎Italienisch und Englisch (Dolby Digital 2.0)
Studio: ‎Sinister Film

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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