Die Schönste Frau

Die Schönste Frau (La Moglie Piu‘ Bella) ist ein Melodram von Damiano Damiani aus dem Jahr 1970.

Als der Don verhaftet wird, gibt er dem loyalen jungen Vito (Alessio Onaro) mit, dass Familie das wichtigste ist und er sich am besten eine Frau suchen sollte bis er wieder draußen ist. Der Junge verspricht sich unter den Fittichen es alten Mafiosi eine Zukunft, also folgt er dem Rat, und pickt sich Francesca (Ornella Muti) heraus, ein 15-jähriges hübsches Mädchen aus armen Hause, und macht ihr den Hof. Doch die ist von seiner arroganten Art, seinem herrischen Gehabe und vor allem wegen einem vor ihren Augen erschossenen Mafia-Opfer, nicht so recht überzeugt, erweist sich gar als widerspenstig – und versetzt ihn prompt kurz vor der Trauung. Was folgt entzweit die junge Dame von ihren hilflosen mittellosen Eltern, treibt sie letztlich noch weiter von Vito weg und wird zum Skandal: Vito entführt sie kurzerhand, vergewaltigt sie und lässt sich trauen. Dass ihre Eltern da sogar mitspielen verzeiht sie ihnen nicht, und als arme, junge Frau, im Angesicht von Reichtum, Verbrechen und Rollenverhältnissen, schreitet sie zu verzweifelten Taten…

Nein, Die Schönste Frau ist kein Mafia-Film. Das organisierte Verbrechen ist lediglich ein – nicht unwichtiger – Kontext. Vielmehr geht es in dem Film um dramatische gesellschaftliche Brennpunkte. Einerseits wäre da das Verhältnis der Geschlechterrollen. Francesca, die es wirklich gab, hat als Frau in der patriarchischen ländlichen sizilianischen Gesellschaft schlechte Karten. Das wäre nicht anders, wenn Vito zwar männlich, aber kein Mafiosi wäre. Aber was wenn er nicht reich wäre? Andererseits nämlich offenbart der Film die hilflose Lage mittelloser Landarbeiter und deren Abhängigkeit vom guten Willen der Oberschicht – in dem diese beispielsweise ihre Töchter heiraten.

Ich war ehrlich gesagt völlig baff, weil ich einen etwas anderen Film erwartet hatte. Nicht nur ist er mitreissend dramatisch und fast schon schockierend, er ist auch noch echt gut gespielt, erzählt und eingetaktet. Vor allem Muti spielt eigentlich alle an die Wand, und das tatsächlich mit leidenschaftlicher Darbietung, nicht nur wie später in ihrer Karriere auch durch Wimpernschlag und Dekolettee. Der Film ist geradezu ergreifend: Der arme Papa, er sieht erst hilflos zu wie er ohne eine andere Wahl seine minderjährige Tochter an einen Kriminellen vergibt, und sieht dann aber auch ein, was für ein Feigling er ist. Dafür vergibt er sich selbst nicht. Später schlägt er sich dann aber sogar auf dessen Seite! Die Tochter währenddessen kann es nicht fassen dass sie in ihrer Anschuldigung gegenüber dem vergewaltigenden Bräutigam alleine da steht, und nicht nur das ganze Dorf sondern auch ihre Eltern gegen sich hat.

Untermalt von einem teilweise ruppigen, teilweise sehr zurückhaltendem Soundtrack von Großmeister Ennio Morricone (dirigiert wie so oft von Bruno Nicolai), treibt Damiano Damiani diese faszinierende Geschichte auf die Spitze, und nutzt das Ende und den Abspann quasi als Anklage, als „ich prangere an“. Der Film lässt einen fassungslos zurück, er ergreift und erfreut zugleich. Erfreulich weil er, obwohl nur wenig bekannt, wirklich ziemlich gut ist (und das ohne zu einem abgehobenen Intellektuellendrama zu verkommen, wie es Elio Petri oftmals unterstellt wird).

Damiani, der u.a. den Italowestern A Bullet for the General auf dem Buckel hat, leistet hier ordentliche Arbeit, wenn der Film auch visuell nicht herausragend ist (finde ich jedenfalls). Über Ornella habe ich letzter Zeit schon öfter etwas geschrieben, so z.B. in der Kritik zu Appassionata, Das Taubenhaus oder Die Nackte Bourgeousie, das spar ich mir hier. Es ist hier ihre erste Filmrolle – und was für eine Rolle, was für ein Debut! Eine so gewagte, so erwachsene, so kontroverse und so wichtige Rolle lastete auf den Schultern dieses jungen Mädchens. Große Klasse.

Das Bild sieht verhältnismäßig gut aus auf der DVD, woraus sich eine sehr zufrieden stellende BluRay vermuten lässt. Das Bild ist recht klar, kontrastreich, mit nur leichtem Grauschleifer, wenigen Schäden und bietet gute Farben. Wenn ich mir also den DVD-Matsch (daher unbedingt zur BluRay greifen!) wegdenke, gehen beide Daumen hoch. Solide Präsentation. Der Ton klingt für eine Mono-Spur in Ordnung, getestet habe ich hier die italienische (beide auf der DVD Dolby Digital 2.0, auf der BluRay in DTS). Auch die Musik des Meisters kommt hier gut zur Geltung. Die gibt es auch noch in einer isolierten Soundtrack Tonspur. Es gibt lediglich deutsche Untertitel.

Schön ist das Wendecover mit dem original Postermotiv. Die DVD war im Slipcase, evtl. ist das bei der BluRay auch so. An Extras gibt es einmal den Originaltrailer (in nicht allerbester Qualität leider), eine Einführung von Damiani selbst (1min, mit dt. Untertiteln) und eine 43-minütige Doku (m. dt. UT) von Noshame die den Titel „Sicily, Ornella, the Mafia and Beyond“ trägt. Darin erläutert unter anderem Mino Giarda, der Assistant Director, dass der Film auf einer realen Figur und Geschichte basiert. Eine Anekdote, wie die damals erst 14-Jährige Muti zu diesem, ja Künstlernamen, kam, hat er auch parat. Auch Damiani selbst äußert sich zu diesem und einigen ander Hintergründen des Films. Hinzu kommen Einblicke von Antonio Siciliano (Schnitt), der später noch einige Filme mit Damiani machte. So erwähnt er u.a., dass in Sizilien quasi an Originalschauplätzen gedreht wurde, was nicht unbedingt ohne Risiko war. Auch Alessio Orano, der Nebendarsteller, bestätigt, dass der Film gar eine kleiner Aufreger war damals. Kameramann Franco di Fiacomo, der mit Damiani auch bei Tag der Eule zusammen arbeitete, rundet den Eindruck ab.  Eine ziemlich gute Doku, die lediglich noch eine Beteiligung von Muti besser gemacht hätte. Eine Bildergalerie liegt ebenfalls bei.

Fazit: Die BluRay gehört sicherlich mit zu den (überraschenderweise) Besten Veröffentlichungen, die Donaufilm in petto hat. Der Film ist absolut empfehlenswert.

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Die DVD wurde uns freundlicherweise von donau film zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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