Rollerball

Rollerball

Rollerball ist ein dystopisches Sci-Fi Drama von 1975. Rollerball, eine Art Mischung aus Basketball, Football, Nascar-Rennen und Rollschuhlaufen, ist in einer fernen Zukunft zum großen Unterhaltungsprogramm geworden. In dieser Zukunft haben Konzerne die Macht über die Welt übernommen und sich die Lebensbereiche aufgeteilt. Jonathan E. (James Caan) ist ein gefeierter Rollerball-Star. Er spielt für Houston, den Sitz des Konzerns der Energie bereitstellt. Alle Chefs der verschiedenen Konzerne bestimmen in einem wenig transparenten Rat über die Geschicke der Menschheit, die zwar frei von Armut und Krieg, aber auch frei von Literatur, Individualität und Demokratie ist. Es wird erwartet, zu tun was die Konzerne wollen – das ist der neue Gesellschaftsvertrag, und zur Ablenkung gibt es Rollerball (für die Betuchten außerdem Drogen). Doch Jonathan ist den Konzernobrigen zunehmend ein Dorn im Auge: in die Vision der hörigen Masse die ohne Murren ambitionslose Leben leben passt der Invididualismus und Heroismus eines Sport-Idols überhaupt nicht. Aus Helden von heute könnten Revoluzzer von morgen werden. Man legt ihm den Rücktritt nahe, bietet ihm alle möglichen Vorzüge. Pech nur, dass Jonathan E. den Sport im Blut hat, und etwas sagt ihm, das hier etwas gehörig stinkt…. er will seine Frau von damals wieder, die man ihm wegnahm, er will Rollerball spielen, und er will wissen wer hier über sein Leben entscheidet….

Rollerball hatte mich damals schwer begeistert. Ich hatte ihn in meiner Zeit nach der Schule als Spätabendprogramm kennengelernt. Die Mischung aus Sci-Fi, Sportsatire und Dystopie weiß aber auch heute noch zu überzeugen und ist keine Minute gealtert. Für die futuristische Skyline im Film hat man übrigens nicht Singapur – oder Tischmodelle aus Pappmaché – bemüht, sondern z.B. die Konzernzentrale von BMW in München. Während Hollywood dieses Jahr sich in der Tat im Serienformat (endlich/wieder) an Huxley’s Brave New World heran traut, wurde das damals mit Rollerball in einer sehr faszinierenden Variante umgesetzt.

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Sport steht im Zentrum von Rollerball, aber es ist kein richtiger Sportfilm. Es ist eher ein Gladiatorenfilm. In der Welt von Rollerball existiert in der Welt nur noch die Brot-und-Spiele-Logik. Allen geht es gut, die großen Corporations haben sich den Kuchen aufgeteilt, und die Menschen werden mit Wohlstand, Drogen und der Rollerball-Show bei der Stange gehalten. Alle sind glücklich? Die Parallele ist dabei gar nicht so weit hergeholt, und dafür steht die Orgelmusik (in diesem Fall die Toccata von Bach). Wenn man mal überlegt welchen Stellenwert allen voran Basketball und American Football in den USA haben, wie es arm und reich vor die Fernseher lockt, wie es Spielball unglaublicher Geschäftsinteressen ist, dann versteht man auch wie die Idee für Rollerball entstehen konnte. Und die Orgelmusik? Nun, habt ihr schon mal ein Basketball-Spiel gesehen? Die Orgelmusik ist Quasi-Bestandteil von jeder Stadion-Standardunterhaltung.

James Caan (Thief) spielt überzeugend den Vorzeigesportler den zunehmend Gewissensbisse umtreiben. Wie in der Dystopie-Literatur gar nicht ungewöhnlich, ist dies für ihn zunächst ein schwer greifbares Gefühl. Anders als der Zuschauer weiß Jonathan E. ja nicht, was an seiner Situation nun genau so schlecht ist, er weiß nur irgendwas passt ihm nicht, angefangen damit dass man ihm damals seine Frau wegnahm. Er verspürt diesen Kontrollverlust als er merkt, dass es mehr gibt als den Sport, und von da an beginnt er innerlich und dann auch aktiv zu rebellieren. Eine großartige Entwicklung die im Drehbuch oft als selbstverständlich abgetan wird, aber das ist im Kern der Film, nicht das Spektakel in der Arena.

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Regisseur Norman Jewison (In the Heat of the Night) hat hier ein kleines Meisterwerk geschaffen, mit dem man zur damaligen Zeit wenig anfangen konnte. Vom Poster alleine hätte man sich ein bombiges Exploitation-Trashfestival wie Death Race 2000 erwarten können, doch mit großen Budget und besten Schauspielern ausgestattet ist der Film alles andere als das. Die Finessen des Sports, die merkwürdige politische Dystopie in denen die Charaktere leben, die seltsame 60s Architektur und die punktuelle Hi-Tech Durchdringung dieser Welt tragen zu einer Atmosphäre bei, die man oft noch nicht nach dem ersten Mal gucken völlig durchdringt. Wer sich zu sehr dem Film nähert mit einer Sportfilm-Brille, der verpasst interessante Details, wie z.B. dass das Wissen der Welt verschwindet oder zu verschwinden droht (Jonathan E. muss in die Schweiz fliegen um zu recherchieren), dass man Menschen ungefragt die Lebenspartner wegnimmt oder sie zuteilt, oder dass es letztlich Drogen sind, die verhindern dass die Leute sich eigene Gedanken machen.

Rollerball ist ein großartiger Film seiner Zeit, bei dem man so vieles hätte falsch machen können. Doch man hat fast alles richtig gemacht: es ist kein Spektakel geworden, kein Actionfilm, keine Moralpredigt. Es ist ein unglaublich subtiler, ruhiger Kunstfilm eigentlich (das Wort „Arthouse“ wird oft eher abwertend genutzt), der trotz eines etwas sperrigen Scripts und der Orgelmusik zu einem Kultfilm avanciert ist der bis heute Menschen mitreisst und zum Nachdenken anregt.

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Ein Wort zum Remake von 2002 mit Jean Reno: Das braucht kein Mensch. Die subtile Huxleysche Betrachtung der gesellschaftlichen Dystopie weicht der bedeutungslosen Darstellung einer überzogenen Version von Rollerball, ein Sport der so oder so nicht gut filmisch altert. Damit hat man dem Original einen Bärendienst erwiesen, was man am besten hätte lassen sollen. Würde man heute sich nochmal an ein Remake wagen, würde möglicherweise jemand wie Denis Villeneuve daraus ein düsteres und erdrückendes Sci-Fi Epos machen, aber Anfang der 2000er Jahre hat man hier einfach nur etwas nutzloses abgeliefert.

Achtung Austauschaktion: Diese monumentale Edition von Rollerball wurde leider von Produktionsproblemen geplagt. Wer von Euch Probleme mit der Synchronität des Tons hat, wie in diesem Blogpost zusammengefasst, bzw. hier bei Schnittberichte oder hier bei BluRaydisc.de beschrieben, wendet sich wie dort erklärt an Capelight und erhält eine Austauschdisc. Der restaurierte Ton hat wohl schon immer Probleme in diese Richtung, so ganz astrein wird es wohl nie sein scheinbar. Ich habe für diese Rezension den Film mit dem restaurierten Originalton (PCM 2.0) geguckt, der war bis auf zwei Szenen ohne Probleme synchron (nach meinem Hörverständnis jedenfalls), je nach Equipment kann man auch manuell den Ton um Milisekunden nachjustieren. Doch hier haben sich aufgrund der Diskrepanzen zwischen restaurierten Tonspuren und genauer Spiellänge des Bildmaterials bei einigen Spuren scheinbar Verzögerungen eingeschlichen, die nur ein Umtausch wettmachen kann.

Davon abgesehen: Die BluRay bietet hervorragendes, wenn auch nicht überragendes, Bild dieses Klassikers, den ich als grieseligen Technicolor Mitternachts-Film in Erinnerung habe. Das klare, scharfe und Farbenfrohe Bild dieser Scheibe ist da fast schon ein wenig entzaubernd. Die aufwendige Restauration korrigiert Farben, bietet im UHD Format auch HDR und bietet ein ansonsten schadenfreies, astreines Bild. Der Ton (wie gesagt die Original Surround 2.0 Spur auf Englisch geguckt) klingt sehr solide, bietet Tiefen und gute Dynamik – nur die Orgelmusik ist regelmäßig überproportional laut, wobei ich das schon damals so in Erinnerung hatte. Neben dieser wurde übrigens auch die deutsche Mono-Spur restauriert. Es gibt deutsche und Englische Untertitel. Alternativ kann man sich die Deutsche Spur auch  in der remastered Version anhören statt der restaurierten Originalspur. Außerdem gibt es von ersterer einen 5.1. Upmix. Gleiches gilt für den Originalton, hier hat man neben der restaurierten original Stereospur auch den 5.1 Upmix im Angebot.

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An Extras fährt Capelight hier eine ganze Menge Zeugs auf, und das schon bei den 3-Disc Editionen (wahlweise BluRay oder 4K UHD Editionen), es gibt darüber hinaus noch eine Ultimate Edition die sogar z.B. auch noch das Remake mitliefert und diverse Sammlerdreingaben. Das Mediabook enthält ein eingeklebtes Booklet mit einigen Bilder und beinhaltet einen großartigen analytischen Aufsatz zum Film von Marco Heiter. Auf der Filmscheibe selbst gibt es zwei Audiokommentare: einen von Regisseur Norman Jewison (aufgenommen 1997), der hochgradig interessant und aufschlussreich ist; und einen vom Autor William Harrison (Rollerball Murders) der letztlich dann ein wenig inhaltlicher ist als der von Jewison, der deutlich mehr auf die Produktion eingeht. „From Rome to Rollerball – The Full Circle “ (8min) ist eine Art Making-Of TV Doku von 1975 mit einigen Interviewauszügen und Aufnahmen vom Dreh. Dann gibts noch den Originaltrailer und TV Spots.

Auf der Bonus-BluRay geht es dann weiter. „From Rollerball to Rome“ – Nachhall eines Sci-Fi Klassikers (85min) ist eine umfangreichere Doku über das Entstehen und die Wirkungen dieses Klassikers, mit jeder Menge Interviews, sowohl von Beteiligten (leider nicht allen) als auch Filmkritikern und Zeitzeugen. Das Feature franst nach einer Weile leider arg aus und schweift fats eine halbe Stunde lang ab in das italienische Post-Apokalypse Kino, bis es am Ende dann wieder die Kurve kriegt. Das ist zwar interessant, aber letztlich dann vielleicht zu weit weg von einer Doku über Rollerball. Für uns bei Nischenkino ist das natürlich dennoch lobenswert, denn das ist wissenswert. Zwei Original 8mm Reels zu je circa 17min entstammen dem britischen Markt und werfen jeweils – aufgrund der drastischen Umschnitte und Kürzungen – völlig andere Perspektiven auf die Aussagen des eigentlichen Films. Sehr abstrus das ganze, aber auch irgendwie spannend. Making-of: „Return to the Arena“ (25min) das ist das Feature das man soweit ich weiß schon von der damaligen MGM Special Edition kennt, und dürfte in etwa von 2003 sein oder vielleicht sogar noch älter. Es ist ein guter Rundum-Rückblick auf den Film. „The Fourth City“ – Rollerball in München (18min) der Film wurde ja im Olympiastadion (Fahrradbahn heute der Audi Dome) und am BMW Gebäude unter anderem gedreht. Dieses Feature von Robert Fischer interviewt einige Zeitzeugen von heute und damals und zeigt die Locations damals und heute.

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„Blood Sports“ (10min) mit James Caan ist ein Interview mit dem Hauptdarsteller (von der Arrow Scheibe), indem er sich an den Film und seine Rezeption erinnert. Er bring außerdem nochmal einen Aspekt den ich oben gar nicht so recht berührt habe: Johnathan E. wie alle anderen die diese Welt bevölkern, reagiert relativ emotionslos zunächst. Außerdem ist er Athlet, kein Intellektueller. Er weiß lediglich, irgendwas stimmt hier nicht so recht, es ist aber nicht so als ob z.B. die Praxis, Leuten Frauen wegzunehmen oder zuzuteilen grundsätzlich verwerflich erscheint – er kennt das nicht anders. In „From Sweden to Stardom“ (16min) erinnert sich Maud Adams sehr lebhaft über ihre Anfänge im Filmbusiness, und unter anderem dass James Brolin einmal fast Bond wurde. In „The Bike Work“ (17min) spricht Craig R. Baxley über die Motorrad Stunts und hat interessante Geschichten zu erzählen. Falls euch Baxley nichts sagt: der Mann hat neben seinen fast 100 Aufträgen als Stuntman oder -Koordinator auch einige Actionfilme gedreht, darunter Sniper 2 und Action Jackson. The Restoration of Rollerball (33min, Deutsch oder Englisch) ist letztlich ein Vergleich und eine Erläuterung der Restoratuion mit Audiokommentar von Thorsten Kaiser (TLEFilms). Besonders interessant vor allem woher das historisch überhaupt kommt dass eine fundamentale Restoration notwendig wurde, angefangen mit Murks in der Post-Produktion des Films damals in den 70ern. Ein sehr interessantes Extra für all diejenigen die sich interessieren was hinter aufwendigen Restaurationsprojekten wie diesem steckt.

Insgesamt ein Hammer-Paket, trotz der kleinen Abstriche wegen der Tonprobleme: Unglaublich viele Extras, enorme Bildqualität, ein großartiger Meilenstein der Filmgeschichte.

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Rollerball BluRay

Die BluRay wurde uns freundlicherweise von Capelight zur Verfügung gestellt.

Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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