Stryker

Die Atomkatastrophe hat die Zivilisation vernichtet. Die Erde ist ausgebrannt. Plündernde Banden durchstreifen das Land. Überall gilt nur das Recht des Stärkeren. Für die wenigen Überlebenden des Infernos beginnt eine verzweifelte Suche nach unverseuchtem Wasser. Eine Gruppe mutiger Frauen hat frisches, sprudelndes Wasser entdeckt und schnell entbrennt ein gnadenloser Kampf um diese überlebenswichtige Quelle. Aus allen Himmelsrichtungen setzen sich schwer bewaffnete Horden in Bewegung und greifen die hoffnungslos unterlegenen Frauen an. Stryker, ein Einzelgänger und mutiger Kämpfer schlägt sich auf ihre Seite.

Italien war für seine Road Warrior Rip-Offs der 80er Jahre bestens bekannt, weswegen es keine Überraschung darstellte, dass Cirio H. Santiago (der unbestrittene König der philippinischen Exploitation) keine Zeit damit verschwendete, seine eigene postapokalyptische Saga in die Kinos zu bringen. Santiago (1936-2008) schleppte sich ab Mitte der 50er Jahre durch die philippinische Filmindustrie, bevor er seine Nische im Drive-In-Trash fand, nachdem er in den frühen 70er Jahren einer Partnerschaft mit Roger Corman eingegangen war. Corman war Co-Produzent und übernahm den Vertrieb von Santiagos in Manila gedrehten T&A-Actionfilmen wie Fly Me (1973) und Cover Girl Models (1975) sowie T.N.T. Jackson („She’ll put you in traction!„, 1974). Santiago und Corman trennten sich Ende der 70er Jahre, als Santiago einige andere Erfolge mit Ebony, Ivory, and Jade (She Devils in Chains, 1976), The Muthers (1976), Vampire Hookers (1978) und Death Force (Ein Mann wird zum Killer, 1978) erzielen konnte.

Santiago und Corman taten sich 1981 für Firecracker (Nackte Fäuste – Die tödliche Karatelady) wieder zusammen, einem Remake von T.N.T. Jackson. Mitte bis Ende der 80er Jahre war der produktive Santiago so richtig in Fahrt gekommen, als Cormans Concorde Pictures eine Reihe seiner Post-Nukes veröffentlichte (1985 Wheels of Fire, 1987 Equalizer 2000, 1988 The Sisterhood, 1992 Dune Warriors – Blut für Wasser). Auch in anderen Genres war Santiago zu dieser Zeit recht aktiv: Horror (Demon of Paradise / Die Todesinsel, 1987), Rache-Exploitation (Naked Vengeance / Mad End, 1985), Cop-Filme (Silk, 1986), Rambo-Rip-Offs (The Devastator / Force Commando, 1986), Post-Platoon Vietnam-Sagen (Eye of the Eagle / Jungle Force 1987, Nam Angels / Hells Angels in Vietnam 1989 sowie Last Stand at Lang Mei / Blutiges Lang Mei und was eine Verschmelzung von allem repräsentiert, der irrsinnige Future Hunters von 1988). Santiagos Produktivität ging in den 90er Jahren ein wenig zurück, brachte aber noch einige Bloodsport-Nachahmer heraus, wie Angelfist und Live by the Fist / American Samurai 2 von 1993 sowie einige weitere Nam-Flicks wie Beyond the Call of Duty (1992) mit Jan-Michael Vincent und Kill Zone (1993) mit David Carradine und dem großartigen Tony Dorsett von den Dallas Cowboys.

In den frühen 2000er Jahren drehte er chauvinistische Militär-Actionfilme wie When Eagles Strike / Operation Balikatan aus dem Jahr 2003 und produzierte 2006 zwei Filme mit Mark Dacascos: Die Jagd auf Eagle One (2006) und dessen Fortsetzung Die Jagd auf Eagle One: Crash Point (2006), der seine Vietnam-Formel in die Zeit nach 9/11 transplantierte. Stryker wurde im September 1983 veröffentlicht und stellt Santiagos ersten Post-Nuke dar sowie einen der letzten Filme, die von der ursprünglichen Inkarnation von New World Pictures vertrieben wurden, nachdem Corman das Unternehmen im selben Jahr verkauft hatte. Santiago war normalerweise nichts viel wichtiger, als den Film in die Dose zu bekommen und in Richtung Corman zu schicken, doch mit Stryker ließ er etwas mehr Sorgfalt walten, da der Streifen einen seiner erfolgreichsten Filme repräsentiert. Nicht nur wegen der Stuntarbeit oder den Action-Sequenzen (der philippinische Schriftsteller / Schauspieler Joe Mari Avellana wird als Co-Regisseur ausgewiesen), sondern weil Santiago auch Zugang zu einer Steadicam (für ein paar Aufnahmen) gehabt haben muss, da die wirklich unfruchtbar und trostlos aussehenden Minen der philippinischen Insel Marinduque (Schauplatz einer schrecklichen Bergbautragödie im Jahr 1996), sehr effektiv als riesiges Ödland nach Atomwaffeneinsatz rüberkommen. Stryker ist als ein scham- und zielloses Rip-Off von Mad Max 2 – The Road Warrior zu bezeichnen und gilt als einer von Santiagos besten Filmen, obwohl Vic Diaz eigentlich noch fehlt.

Selbst nach den Maßstäben der Post-Nuke-Rip-Offs fühlt sich Strykers Geschichte bereits recht abgenutzt an: Jahre nach dem nuklearen Holocaust ist Wasser das knappste Gut auf Erden, während eine plündernde Bands von relativ guten Jungs gegen den sadistischen Overlord Kardis (Mike Lane, Pro-Wrestler aus den 50er Jahren, der zum B-Movie-Schauspieler / Produzenten wurde) antreten, der das Wasser unbedingt für sich selbst horten will. Eine Gruppe von leicht bekleideten weiblichen Kriegerinnen, angeführt von Delha (Andria Savio), ist Teil einer Kolonie, die seit Jahren von einer natürlichen Quelle mit Wasser versorgt wird. Sie wenden sich an das Kompositum von Trun (Ken Metcalfe als Tom Atkins), da sie der Meinung sind eine Allianz zwischen der Kolonie und Trun würde Kardis zur Erkenntnis zwingen, dass er zahlenmäßig unterlegen ist, weswegen man einen Deal aushandeln könnte, bei dem sich alle die Quelle teilen. Da Kardis den Bösewicht in einem Post-Nuke-Rip-Off verkörpert, macht er bei diesem Unsinn selbstverständlich nicht mit, besonders nachdem sich herausgestellt hat, dass er ein durch und durch unmusikalisch gewordener postapokalyptischer Verbrecher ist, der das kostbare Wasser „für diejenigen, die etwas beitragen“ strikt rationieren lassen will, während er sein Gesicht nach einer heißen Rasur mit erfrischendem Wasser bespritzt.

Stryker (Steve Sandor), der unerlässliche nomadische Krieger in einem aufgemotzten Muscle-Car, schlendert durch die verschlungene, aber irgendwie doch leere Geschichte. Stryker ist Truns jüngerer Bruder, hat sich aber selbstständig gemacht, weil er eben seinen eigenen Kopf hat. Stryker hat außerdem einen Kumpel in Bandit (William Ostrander), der sich in eine der Kolonie-Damen verguckt. Bedenkt man, dass der Film den Titel STRYKER trägt, spielt der titelgebende Held bis zum Höhepunkt eigentlich gar nicht viel mit. Dort angekommen steht er Kardis gegenüber, um seine verstorbene Frau zu rächen, die vor Jahren von Kardis gefoltert und enthauptet wurde. Santiago macht schon mit der Eröffnungssequenz keine Gefangenen. Die beinhaltet nämlich ein Ausweiden und mehrere Schrotflintenschüsse auf Gesichter und Köpfe. Es gibt ziemlich viel Action, ständige Explosionen und gefährliche Stunts zu bestaunen, doch Howard Cohens (Samstag, der 14., Der Todesjäger) Drehbuch hat zu viele Charaktere eingebaut (es taucht auch eine Gruppe von in Roben gekleideten, plappernden Zwergen auf, die viel Bildschirmzeit hat) und behandelt seinen Titelhelden fast wie einen nachträglichen Gedanken.

Was eine Schande ist, denn Sandor wurde gut besetzt und spielt die Rolle mit genau der richtigen ironischen Einstellung. Stryker stellte für diese Zeit ohnehin eine seltene Hauptrolle für Sandor dar, der in einigen Biker-Filmen der späten 60er Jahre mitspielte, hauptsächlich jedoch ein Art Tagelöhner war, der seinen Lebensunterhalt mit TV-Gastauftritten verdiente. Santiagos Film kam mitten in einer kurzen Renaissance für Sandor, der die Stimme für Darkwolf in Ralph Bakshis Feuer und Eis (1983) lieferte, der eine Woche vor Stryker im Kino anlief. Einen Monat später hatte er eine Hauptrolle in der kurzlebigen Cybill Shepherd / Sam Elliott NBC-Serie Kampf um Yellow Rose. Sandor ist vielleicht am ehesten für seine Rolle als Anführer einer Bande sadistischer Biker bekannt, deren Prügel und Demütigungen eines fragilen Ex-Astronauten (Scott Wilson) und seines noch instabileren Seelenarztes (Stacy Keach) den wahrscheinlich erschreckendsten Kneipenkampf in der Geschichte des Kinos in William Peter Blattys The Ninth Configuration (1980) in Gang setzen.

Ostrander hatte ebenfalls eine Sprechrolle in Bakshis Feuer und Eis und sollte Genre-Fans am ehesten als Buddy Repperton aus John Carpenters Christine bekannt sein, der drei Monate nach Stryker veröffentlicht wurde. Wie er von Ostrander gespielt wurde, repräsentiert Repperton einen der denkwürdigsten Filmmobber der 80er Jahre, doch obwohl der Streifen ein Hit war und die Fans sich bis heute an seine Vorstellung erinnern, gelang es Ostrander nie davon zu profitieren und es dauerte nicht lange bevor all diese Rollen stattdessen an William Zabka (Karate Kid, Mach’s nochmal, Dad) übergingen. Ostrander arbeitete für den Rest der 80er Jahre hart, doch so etwas wie Ruhm kam nie zustande. 1985 spielte er zusammen mit Linda Blair und Sylvia Kristel in dem grimmigen deutschen Frauen-im-Gefängnis-Drama Red Heat – Unschuld hinter Gittern und übernahm 1986 eine wiederkehrende Rolle bei Unter der Sonne Kaliforniens, arbeitete in den 90er Jahren und danach jedoch nur noch sporadisch. Er hatte eine kleine Rolle in David Lynchs Mulholland Drive (2001), doch seit einer Episode von Angel: Jäger der Finsternis im selben Jahr, ist er nicht mehr aufgetreten.

Zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 2008 arbeitete Santiago an einer Art Fortsetzung von Stryker, was sein erstes Mal hinter der Kamera seit dem futuristischen Kickbox-Opus Bloodfist 2050 im Jahr 2005 sein sollte, eine ungewöhnlich lange Pause für den Regisseur. Ein schwerkranker Santiago kämpfte gegen Lungenkrebs, als er fünf Tage nach Produktionsbeginn von Road Raiders starb, der schließlich zu Water Wars werden sollte. Der Film mit Michael Madsen wurde natürlich bis 2011 ins Regal gestellt, bis Produzent Corman den erfahrenen Jim Wynorski einbrachte, um Santiagos letztes Projekt abzuschließen. Wynorski drehte neue Szenen und stellte aus dem, was Santiago bereits geschaffen hatte zusammen was er konnte, wobei er sich auf reichlich Stock-Footage aus Stryker und anderen Santiago-Post-Nukes stützte, um die Lücken zu füllen.

Insgesamt bestehen etwa 20 bis 25 Minuten der 78-minütigen Laufzeit von Water Wars aus Stock-Footage von Filmen, die fast 30 Jahre alt waren und Charaktere zeigen, die nichts mit Water Wars zu tun haben. Das resultierende Patchwork, das gemeinnützig als von „amateurhaft“ bis „nicht anschaubar“ beschrieben wurde, scheint von Corman in Bezug auf die tatsächliche Veröffentlichung dauerhaft zurückgestellt worden zu sein und wurde nur von einer kleinen Anzahl von Masochisten gesehen, die sich auf das Bootleg verlassen haben. Die einzige offizielle Veröffentlichung war 2014 ein straight-to-DVD Titel in Thailand.

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  • Darsteller: Steve Sandor, Andrea Savio, Mike Lane, William Ostrander, Tony Carreon
  • Regisseur(e): Cirio H. Santiago
  • Format: Limitierte Auflage, PAL
  • Sprache: Deutsch, Englisch
  • Region: Region B/2
  • Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Freigegeben ab 18 Jahren
  • Produktionsjahr: 1983
  • Spieldauer: 84 Minuten

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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