The Card Player / Il cartaio

Mit perfiden Frauenmorden hält ein geheimnisvolles Phantom die Polizei von Rom auf Trab. Dabei pflegt der Killer seine Opfer zu entführen und vor einer Webcam zu fesseln, um sodann die Staatsmacht zur Internetpokerpartie um das Leben und diverse Körperteile der Damen herauszufordern. Nach ein paar traurigen Niederlagen hält es Kommissarin Anna Mari für angeraten, dem Übelmann einen professionellen Kartenspieler entgegenzusetzen. Ihr Gegner wiederum nimmt daraufhin die junge Ermittlerin mal genauer ins Visier. (Edition Tonfilm)

Sleepless (2001) mag für Dario Argentos kreative Karriere (zumindest bis zu diesem Zeitpunkt) eine Art Tiefpunkt gewesen sein, doch das hinderte den Film nicht daran, an der italienischen Abendkasse vernünftige Ergebnisse einzuspielen. Vom Erfolg des Films angetrieben, machte er sich daran einen weiteren Thriller zu kreieren. The Card Player sollte sein bislang ungewöhnlichster Giallo werden und obwohl der Streifen nicht frei von schwerwiegenden Mängeln ist, stellt er eine entschlossene Rückkehr zu Argentos gewohnter Form dar. Der Film machte allerdings eine komplizierte Entwicklung durch. Argento setzte seine Energie zunächst für ein Projekt namens Dark Glasses ein (über eine blinde Frau, die sich mit ihrem Adoptivkind zusammenschließt, um einen Mörder aufzuspüren, der es auf Prostituierte abzielt), doch als die Produzenten Vittorio und Mario Cecchi Gori bankrott gingen und Vittorio wegen Drogengeschäften inhaftiert wurde, zerfiel das Projekt. Da die Cecchi Goris immer noch das Urheberrecht am Drehbuch besaßen, musste Argento abbrechen, obwohl ihnen die Mittel fehlten, um es zu produzieren (Jones, Alan, Dario Argento: The Man, The Myths & The Magic, Godalming: FAB Press, 2012, S. 301). The Card Player wurde daher auf ungewöhnlich eilige Art und Weise entwickelt und ging mit einem niedrigeren Budget als für Argento gewohnt in die Produktion.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf könnte man zunächst einmal vom Schlimmsten ausgehen. Doch solange man über einige absurde Handlungselemente und noch absurdere Dialoge hinwegsehen kann (insbesondere auf der englischen Tonspur des Films), gibt es in The Card Player viel zu genießen. Die phantasievolleren Elemente der Handlung stellen sich nicht unbedingt lächerlicher dar als einige der unrealistischeren Handlungspunkte in Argentos früheren Filmen (um ehrlich zu sein), wobei die recht dünne und sparsame Erzählung zu offenbaren scheint, dass die Eile etwas in Produktion bringen zu müssen, den Regisseur möglicherweise davon abgehalten hat das Thema so gründlich wie gewohnt zu sondieren. Mit der Fortsetzung der realistischeren Ästhetik, die in La sindrome di Stendhal (Das Stendhal Syndrom, 1996) ein- und in Sleepless weitergeführt wurde, gelingt es Argento und seinem Kameramann Benoît Debie einige beeindruckende Bilder zu erschaffen. Der Film ist bei weitem nicht so stilisiert wie Argentos frühere Werke und wurde dafür oft zu Unrecht kritisiert, da der Ansatz sehr gut zum Thema zu passen scheint.

Wie in Opera (1987) handelt der Film von Charakteren, die isoliert leben und Schwierigkeiten damit haben, ihre Emotionen zu kommunizieren. Insofern kann es nur als passend bezeichnet werden, dass der Film das Milieu des Internets nutzt. Die Protagonistin, Kriminalbeamtin Anna Mari, verhält sich sozial unbeholfen, während es ihr schwerfällt Menschen auf emotionaler Ebene nahe zu kommen. Sie widmet sich jedoch mit voller Hingabe ihrer Arbeit und hat sich den Ruf erarbeitet, eine der besten der Truppe zu sein. Als sie eine Affäre mit John beginnt, lockert sie das etwas auf, die Idylle ist jedoch nicht dazu bestimmt, lange anzuhalten. Anna und John repräsentieren beide verwundete Seelen, die zusammen Glück finden können, doch im kalten Ambiente des Films stellt dies eher die Ausnahme als die Regel dar. Ein frustriertes romantisches Interesse, das auch auf Opera zurückzuführen ist, ist der Anlass dazu, dass der Mörder auf sie fixiert ist. In Argentos sozial dysfunktionaler Welt ist die Grenze zwischen Liebe und Gewalt als ungewöhnlich dünn zu beschreiben. Einer der größten Nachteile des Films liegt in der Identität des Mörders begründet. Der Film verrät zwar nicht zu viel, so dass man nicht sagen könnte die Identität des Mörders wäre von Beginn an ziemlich offensichtlich.

Doch Argento gab später bekannt, er habe beschlossen die Identität des Mörders von einem Charakter auf einen anderen zu übertragen. Vielleicht wäre es besser gewesen an seinem ursprünglichen Konzept festzuhalten? Es gibt ein paar nette twists&turns zu sehen, wobei die endgültige Enthüllung sicherlich nicht unlogisch ausgefallen ist, doch ein bisschen mehr Kreativität beim Versuch die Identität des Kartenspielers geheim zu halten, wäre wünschenswert gewesen. Auch Argentos Entscheidung, die Gewalt herunterzuschrauben, verärgerte einige seiner Fans noch zusätzlich. Um ehrlich zu sein, scheint dies nach den unbeabsichtigten Lachern, die durch die miserablen prothetischen Effekte in Sleepless hervorgerufen wurden, ein kluger Schachzug gewesen zu sein. Die Morde werden eher suggeriert, als grafisch dargestellt, wobei mindestens zwei von ihnen eine echte emotionale Resonanz zu bieten haben, weil sie Charakteren passieren, zu denen das Publikum eine Art von Beziehung aufgebaut hat. Sergio Stivalettis Leichenprothesen kommen nicht sehr überzeugend rüber, doch die klinische Aufmerksamkeit für üble Details wie Schleim und andere Körperflüssigkeiten verleiht einigen Szenen des Autopsie-Raums eine grausame Wirkung. Das denkwürdigste set-piece des Films umfasst, wie sich Anna zu Hause entspannt und plötzlich ein Spiegelbild in einer Glasschüssel auf ihrem Couchtisch erblickt.

Als ihr klar wird, dass es der Mörder ist, der vor ihrer Wohnung lauert, denkt sie schnell nach, macht alle Lichter aus und holt ihre Waffe hervor. Der Mörder schafft es einzubrechen und das anschließende Katz-und-Maus-Spiel mit einer wunderbaren Sicht von Oben auf die Charaktere, die durch die schwach beleuchtete Wohnung schleichen, erinnert an den Stil und die Kraft von Argentos besten Werken. Das Finale wurde hingegen vielfach kritisiert. Der Mörder entführt Anna und fordert sie zu einem letzten Video-Poker-Spiel heraus, doch diesmal geht es um ihr eigenes Leben und um die Dinge interessanter zu gestalten, fesselt er sie beide an einer Eisenbahnstrecke mit Handschellen … wobei der Zug jeden Moment ankommen soll. Dieses Szenario ist als absolut lächerlich und absurd zu bezeichnen, doch dieses Pauline lebt gefährlich (1933) Finale hat etwas charmant Kühnes an sich – und angesichts der Betonung des Films auf Überwachung, Technologie und eines scheinbar allmächtigen kriminellen Masterminds kann es nicht anders, als an die Stummfilm-Thriller von Fritz Lang zu erinnern, den Argento oft als eines seiner Idole bezeichnet hat. The Card Player mag möglicherweise fehlerhaft sein, stellt jedoch zumindest einen Versuch des Regisseurs dar, etwas Neues auszuprobieren.

Abgesehen davon, dass er die Gewalt heruntergeschraubt hat – was wirklich allen Erwartungen widerspricht und den Streifen ein bisschen wie einen Busby Berkeley-Film ohne Tanznummern wirken lässt – ist es auch sein erster echter Film, der das Verfahren der Polizei porträtiert. Die Akzentuierung der Polizeiarbeit hat einige weniger begeisterte Rezensenten dazu veranlasst, sie als „CSI: Rom“ zu bezeichnen, doch wurde hier ein ganz anderer Ansatz verfolgt, der in diesem Kontext gut genug funktioniert. Das Aussehen des Films unterscheidet sich auch stark von Argentos früheren Filmen. Debies Beleuchtung vermeidet den künstlichen Look, den man mit Argentos Filmen verbindet, sein kunstvoller Umgang mit Licht und Schatten liefert jedoch trotzdem einige beeindruckende Bilder ab. Walter Fasanos Schnitt zeigt sich stringent, während das Tempo deutlich strammer als bei Sleepless angelegt wurde. Claudio Simonettis Soundtrack mit Techno-Touch ist sehr effektiv und passt zu Ton und Thema des Streifens. Die Besetzung ist im Allgemeinen als zweckmäßig zu beschreiben. Stefania Rocca gibt eine gute Vorstellung als Anna. Sie ist geschickt darin, dem Publikum die introvertierten, sozial unangenehmen Eigenschaften des Charakters zu suggerieren, kommt allerdings auch als willensstarker und hochkompetenter Profi rüber.

Der Charakter ist nicht so gut umrissen wie der von Anna Manni in Das Stendhal Syndrom, wobei die beiden Frauen gewisse Ähnlichkeiten teilen – was keine Überraschung darstellt, da Argento ursprünglich gehofft hatte seine Tochter besetzen zu können. Rocca versteht es jedoch sehr gut mehr als ausreichenden Ersatz zu repräsentieren und offen gesagt erscheint es sinnvoller einen neuen Charakter in die Geschichte zu involvieren, als unbeholfen erklären zu müssen, wie Anna Manni sich möglicherweise gut genug hätte erholen können, um den aktiven Dienst wieder aufzunehmen. Rocca wurde 1971 in Turin geboren. Ab Mitte der 90er Jahre trat sie in Filmen auf und wurde mit preisgekrönten Auftritten in Streifen wie Donatella Maiorcas Psychothriller Viol@ (Liebh@ber gesucht, 1998) und Alessandro D’Alatris romantischer Komödie Casomai (Casomai – Trauen wir uns?!, 2002) bekannt. Sie erlangte internationale Bekanntheit mit ihrer Rolle in Anthony Minghellas Der talentierte Mr. Ripley (1999) und trat zusammen mit Asia Argento in Abel Ferraras Go Go Tales (2007) auf. Liam Cunningham leistet auch vernünftige Arbeit als John, obwohl Argentos Drehbuch ihn mit der üblichen Routine betrunkener Iren etwas bremst.

Cunningham und Rocca legen jedoch wirklich gute Chemie an den Tag, weswegen ihre aufkeimende Liebesgeschichte auch als recht glaubwürdig zu bezeichnen ist. Solch sympathische Charaktere im Kern der Geschichte präsentieren zu können, verleiht dem Film die dramatische Anziehungskraft, die in Sleepless größtenteils fehlte. Cunningham wurde 1961 in Dublin geboren. Nachdem er beschlossen hatte seine ursprüngliche Berufswahl als Elektriker aufzugeben, begann er mit der Schauspielerei und trat seit den 90er Jahren in Film und Fernsehen auf. Zu seinen frühen Auftritten gehören Mike Newells Into the West (Das weiße Zauberpferd, 1992) und Jerry Zuckers First Knight (Der erste Ritter, 1995). Die Aufmerksamkeit von Genre-Fans zog er mit seiner Rolle in Neil Marshalls Werwolf-Film Dog Soldiers (2002) auf sich. In jüngerer Zeit erzielte er Erfolge mit einer Rolle in der erfolgreichen HBO-Serie Game of Thrones. Silvio Muccino ist sympathisch als Computerfreak Remo, der von der Polizei zur Unterstützung herangezogen wird. Muccino legt die Rolle so an, als würde er ein überfordertes Kind spielen, was dem Charakter eine rührende Verwundbarkeit verleiht. Er wurde 1982 in Rom geboren und gab sein Filmdebüt mit einer Hauptrolle in der von der Kritik gefeierten Coming-of-Age Komödie Come te nessuno mai (So wie du ist keine, 1999) unter der Regie seines Bruders Gabriele Muccino.

Für seinen Bruder (zusammen mit seinem Co-Star in diesem Film, Claudio Santamaria) trat er auch in L’ultimo bacio (Ein letzter Kuss, 2001) sowie in Roman Coppolas CQ (2001) auf. In den letzten Jahren widmete er sich eher dem Schreiben und der Regieführung. Was Claudio Santamaria betrifft, so ist sein Charakter nicht so interessant wie in Almost Blue (2000) angelegt worden, wo er als der blinde Simone so berührend spielte, doch er liefert immer noch eine anständige Leistung ab. Sein Charakter zeigt sich, als einer von Annas Kollegen, ziemlich intensiv sowie mehrdeutig. Die Nebenbesetzung umfasst kleine Rollen für Argentos Tochter Fiore und Vera Gemma, der Tochter der Italo-Western-Ikone Giuliano Gemma, der in Tenebrae (1982) die Rolle des Kommissar Germani spielte.

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  • Seitenverhältnis:16:9 – 1.85:1, 16:9 – 1.77:1
  • Alterseinstufung: Nicht geprüft
  • Regisseur: Argento, Dario
  • Medienformat: Limitierte Auflage
  • Laufzeit: 1 Stunde und 39 Minuten
  • Darsteller: Cunningham, Liam, Rocca, Stefania, Muccino, Silvio, Argento, Fiore, Maria, Adalberto
  • Sprache: Deutsch (DTS HD), Englisch (DTS HD)

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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