Die Große Offensive

Dei Große Offensive - Die Grosse Offensive

Die Große Offensive (Il grande attacco) ist ein Kriegs- und Historiendrama von Umberto Lenzi aus dem Jahr 1978. Den Inhalt des Films zusammenzufassen ist schwierig, denn im wesentlichen begleitet der Film in Auszügen den Krieg aus der Perspektive verschiedener Charaktere.

Die erste halbe Stunde des Film lernen wir, dass bei den Olympischen Spielen in Berlin der Amerikaner General Foster (Henry Fonda), der Britische Professor Sean O’Hara (John Houston) und der Deutsche Mannfred Rolan (Stacy Keach) noch befreundet sind. Foster macht Roland sogar noch mit der Schauspielerin Annelise Ackermann (Samantha Eggar) bekannt. Ein Kriegsausbruch klang da noch unwahrscheinlich, auch wenn die Gefahr bereits im Raum standen. Später dann sehen sie sich auf unterschiedlichen Seiten wieder. Fosters Sohn John (Ray Lovelock) meldet sich noch 1942 ebenfalls zum Dienst anstatt das College abzuschließen. In Berlin ist Roland zwischenzeitlich mit Ackermann liiert, doch sie hätte aufgrund ihres jüdischen Ursprungs eigentlich längst das Land verlassen sollen. Im Mittelmeer kommandiert Leutnant Scott (Giuliano Gemma) eine Truppe von britischen Kampftauchern um eine alliierte Radarstation auszuschalten und muss dabei zusehen, wie die Mission scheitert und die meisten seiner Leute sterben. In London ersucht Kriegskorrespondent O’Hara Erlaubnis an die Afrikafront geschickt zu werden.

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In Berlin sieht sich Annelise damit konfrontiert, dass ihre Herkunft aufgeflogen ist, und weil Roland kein Parteimitglied ist, sie keinen Schutz genießt. In Griechenland kämpfen Partisanen gegen die Wehrmacht, die dort von Major Roland geführt wird. Er muss dort einen Gefangenen exekutieren der sich als Mimmo Parnat (Andrea Bosic) herausstellt, ein Theaterschauspieler den er und Anneliese schon einmal gesehen hatten. In Frankreich macht sich Danielle (Edwige Fenech) vergeblich an den Wehrmacht Leutnant Zimmer (Helmut Berger) heran. Weihnachten 1942 in England freut sich Sybille (Evelyn Stewart), dass ihr Ex-Mann Scott von der Front nach Hause kommt. Sie hat zwischenzeitlich Michael (Venantino Venantini) geheiratet. Doch zum gemeinsamen Weihnachtsessen kommt es nicht, er bekommt Nachricht dass er nach Afrika geschickt wird. In der Normandie macht sich John Foster bereit für den Absprung mit dem Fallschirm um dort mit Partisanen (u.a. Rik Bataglia) zusammenzutreffen und Angriffe auf einen bewaffneten Zug durchzuführen. Den soll Zimmer befehligen. Der Anschlag gelingt, Zimmer wird verletzt. In West Point kriegt General Foster einen Brief seines Sohnes dass er nach den geheimen Einsätzen in Frankreich an die Front in Afrika versetzt wird. Januar 1943 in Nordafrika: auf dem Schlachtfeld sehen sich letztlich Foster Jr., Scott, Zimmer, Roland und O’Hara wieder.

Grosse Offensive
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Dieser Rundumschlag zeigt schon: Il grande attaco ist ein ambitionierter Film mit vielen unterschiedlichen Erzählsträngen und Protagonisten, Locations und Zeitsprüngen. Da das alles aber immer nur sehr kurze Szenen sind, gelingt Lenzi damit immerhin dennoch der Eindruck eines noch größeren Films als es eh schon ist. Zu diesem Aspekt kehre ich gleich nochmal zurück. Zunächst muss man sagen, dass das sogenannte ‚Macaroni Combat‚ Genre, also der Italienische B-Kriegsfilm wie er mit diesem Begriff in Analogie zum ‚Spaghetti Western‘ teilweise genannt wird, sehr unterschiedliche Vertreter kennt. Kriegsfilme aus Italien gibt es nicht erst seit den 1950ern aber es war der Kinoboom der 60er und 70er der die erfolgreichsten Einträge hervorbrachte, darunter qualitativ hochwertige Epen und Abenteuerfilme ebenso wie eher belanglose Zweitware. Und da gleichzeitig bereits in Vietnam ein neuer Krieg tobte der das italienische Publikum politisch beschäftigte, geht das Genre auch nahtlos in Filme über den Dschungelkrieg über.

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Beispiele lassen sich immerhin bis in die späten 80er finden, in denen dann nicht zuletzt auch der Irakkrieg seine filmischen Spuren hinterlässt. Großes Beispiel für dieses Genre sind aber die großen britischen und amerikanischen Produktionen wie Der Längste Tag oder Die Brücke von Arnheim, Filme die mit großen Stars, teuren Kampfszenen und einigermaßen Realismus die Kriegsschrecken des 2. Weltkriegs mit etwas zeitlicher Verzögerung auf den Leinwänden wieder aufleben ließen. Doch auch eher unterhaltungsorientierte Filme wie The Dirty Dozen, die in Punkte Gewalt neue Maßstäbe setzten und weniger auf Historienfilm getrimmt waren, dienten als Vorbilder. So ist es kein Wunder, dass gerade das „Men on a mission“ Subgrene, nicht zuletzt verkörpert durch Kultfilme wie Inglorious Bastards von Enzo Castellari, so populär war. Umberto Lenzi, der in fast allen Genres aktiv war, aber vor allem für fiese Gialli, harte Polizios und notorische Kannibalenfilme bekannt ist, drehte bereits 1967 mit Desert Commandos einen ersten Macaroni Combat Streifen. 1969 kam mit Battle of the Commandos (dessen Material in Il grande attaco mehrfach recycelt wird) ein weiterer, und 1979 mit dem ziemlich soliden From Hell to Victory noch einer. In den 80ern war er in weiteren Söldnerfilmen involviert.

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Wenn wir also über Die Große Offensive sprechen ist das trotz der Assoziationen die man mit Lenzi haben mag durchaus ein Film von einem Regisseur der nicht das erste mal einen Kriegsfilm versucht. Für den Film muss er letztlich auch eine ganze Menge Geld ausgegeben haben. Da wäre zunächst eine wirklich beeindruckende Besetzung: Helmut Berger, Samantha Eggar, Giuliano Gemma, John Huston, Stacy Keach, Ray Lovelock, Evelyn Stewart, Edwige Fenech, Henry Fonda, Rik Battaglia, Andrea Bosic und vielen mehr. Assoziationen an Der Längste Tag werden hier wach. Produziert haben das ambitionierte Projekt Mino Loy (All the Colors of the Dark) und Luciano Martino (Tony Arzenta). Abgesgehen von der Besetzung, die sicherlich den Großteil des Budgets schon mal aufgegessen hat, ist hier viel Materialeinsatz zu sehen (Panzer, Schlachten, Gefechte, U-Boote u.v.m. – natürlich auch sehr viel Archivmaterial) und eine Vielfalt an Schauplätzen – auch wenn sehr viel einfach in den sandigen Hügeln hinter Almería gedreht wurde, im beliebten Italowestern-Sandkasten von Tabernas. Hinzu kommen ein paar Matte-Gemälde, einiges an Attrappen, viele Kostüme und ein ganz guter Score. Zusammengebastelt hat das Werk kein geringerer als Eugenio Alabiso (The Good, The Bad and The Ugly). So bleiben es bei der Vielfalt der Elemente natürlich oft Versatzstücke mit losem Zusammenhang – aber Lenzi schafft es dennoch, mit seiner Hilfe, daraus ein Gesamtbild zu zeichnen. Es ist ein großes Verdienst des Regisseurs, mit diesem Material etwas abzuliefern mit dem er weit über seinem üblichen Kampfgewicht boxt. Und dann ist das mit unter zwei Stunden auch noch richtig knackig kurz, Hut ab. Ich hatte ja eingangs genau das erwähnt: der Film sieht insgesamt deutlich epischer und größer aus, als er eigentlich ist. Lenzi ist hier ein Meisterstück gelungen: er gibt uns viele sehr sehr kurze Einblicke in sehr sehr viele Szenen, und fügt es dennoch zu einer spannenden Gesamtstory zusammen.

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Klar, man hätte sich gewünscht, mit noch einer halben oder ganzen stunde Spielzeit mehr die Protagonisten besser kennen zu lernen oder deren Verflechtungen. Nicht zuletzt Hustons und Fenechs Figuren fand ich fast überflüssig für die Story. Aber Hand aufs Herz: das muss ihm erstmal auf dem Niveau einer nachmachen. Mich hat der Film jedenfalls schon alleine deshalb nachhaltig beeindruckt. Und natürlich ist es wie immer schön, große Hollywoodlegenden wie Fonda, Italowesternsternchen wie Gemma und Exploitation-Göttinnen wie Fenech gemeinsam in einem Film zu bewundern. Und dabei ist es alles andere als ein B-Movie sondern ein wirklich beeindruckender Film über Leid des Kriegs und individuelle Schicksale dessen, erzählt aus vielen Perspektiven, an vielen Fronten, von einem Regisseur der es letztlich verstand, sowohl eine Vater-Sohn Beziehung mit Henry Fonda und Ray Lovelock zu vermitteln als auch Stoffpuppen von Panzern überrollen zu lassen. Ein total sehenswerter Film finde ich.

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Zwar hat Explosive Media mehrheitlich den Mediabook-Output aus Wirtschaftlichkeitsgründen zurückgefahren, so schenkt das Label dem Titel dennoch hier eine besondere Aufmerksamkeit anlässlich dessen weltweiter HD-Erstveröffentlichung. Das schmucke Mediabook enthält neben der BluRay auch eine DVD-Version sowie ein Booklet mit einem Essay von Leonhard Elias Lemke und einigen Details zu Lenzi und zu diesem Film. Das Bild sieht sehr gut aus. Hier wurde offensichtlich eine 4K-Abtastung vom Originalmaterial zur Verfügung gestellt und das Ergebnis sieht klasse aus (damit auch ungekürzt mit knapp 107 Minuten). Prima Farben und Texturen, nur geringfügige Kantenglättung oder andere Filter, ein Minimum an Filmschäden (aber die die da waren, nicht mit viel Verlust herausretuschiert, was mir allemal lieber ist) und gute Kontraste und Schärfen. Ich war sehr positiv angetan, so gut hat man den Film vermutlich noch nie gesehen.

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Beim Ton gibt es löblicherweise diverse Optionen, da sollte für jede und jeden was dabei sein. Ich entschied mich zuerst den Film auf Englisch zu sehen, weil Huston, Keach und Fonda dafür ihre Originalstimmen spendierten. Diese Tonspur klingt zwar etwas mitgenommen und die Dialoge daher auch manchmal nicht super verständlich, aber es fühlte sich etwas besser an – auch wenn der Ton nicht immer ganz lippensynchron ist. Gemma und Co sind natürlich synchronisiert, aber man sieht an ihren Lippenbewegungen dass vornehmlich auf Englisch gedreht wurde. Nun wurde der Film damals stark gekürzt, um knapp über 20 Minuten, und so gibt es keine durchgehende deutsche Synchronfassung. Es gibt eine Neusynchro von Anfang der 2000er Jahre, bei der versucht wurde die damals gekürzten Passagen neu zu synchronisieren, was allerdings auch nicht komplett gelungen war (so fehlte z.B. weiterhin die Weihnachtssequenz mit Stewart und Gemma). So oder so bekommt man dann Italienisch mit dt. Untertiteln wenn man eine der deutschen Fassungen wählt. Die damals gefertigte deutsche Kinoversion mit etwa 88 Minuten (in der sich die Protagonisten vor dem Krieg nicht gekannt haben, denn das z.B. fehlte gänzlich) findet sich auf dieser Scheibe unter Extras. Die deutsche Kinosynchro finde ich klingt hier durchaus akzeptabel auch wenn sie ihr Alter nicht verbergen kann. Die Neusynchro klingt natürlich etwas billig in den entsprechenden Szenen aber wenn man partout nicht viel mit Untertiteln anfangen kann muss man damit Vorlieb nehmen. Die italienische Spur letztlich klingt auch total okay, aber wer sich hier zum Beispiel Gemma’s eigene Stimme erhofft wird enttäuscht sein. Letztlich kann man hier, auch dank der Untertitel sowohl auf Deutsch als auch Englisch nach Belieben kombinieren um den Film zu entdecken.

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Viele Extras sind nicht an Bord, aber neben dem italienischen und dem US Trailer gibt es noch eine Bildergalerie und einen vollumfänglichen Audiokommentar von Leonhard Elias Lemke, von dem auch der Text im Booklet stammt. Letzteres ist knapp und geht wenig in die Tiefe, taugt aber als Teaser für den gut recherchierten Kommentar, der Film, Beteiligte und Regisseur gut durcharbeitet und auch unterhaltsam ist. Insgesamt eine sehr gelungene Veröffentlichung die dem Film mehr als gerecht wird. Jetzt freue ich mich auf mehr Macaroni Combat Klassiker in solch einer Qualität.

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Die BluRay wurde uns zur Verfügung gestellt. Die Screenshots sind von der BluRay, aber runterskaliert und komprimiert.
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Sebastian

Gründer und Inhaber von Nischenkino. Gründer von Tarantino.info, Spaghetti-Western.net, GrindhouseDatabase.com, Robert-Rodriguez.info und FuriousCinema.com

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