Hammer House of Horror / Gefrier-Schocker

 

Diese starbesetzte Anthologie von Hammer Films präsentiert 13 unvergessliche Geschichten des Schreckens. Diese Serie erweckt Motive der Hammer-Klassiker im England der Gegenwart zu neuem Leben und schlug so unter Leitung des Produzenten Roy Skeggs eine neue Richtung für das legendäre Filmstudio ein. Der übernatürliche Horror erhält so ein modernes Gewand – ob es um Geister und dämonische Besessenheit geht, oder um finstere Rituale und Kannibalismus… (Wicked-Vision Media)

Die britischen Hammer-Studios hatten schon immer eine sehr gute Auswahl an Filmen in ihrem Repertoire, die dem Horror-Genre gleichbedeutend waren. Von Mitte der fünfziger Jahre an eroberten sie mit ihren Quatermass TV-Adaptionen (Schock) bis hin zu ihren Frankenstein- und Dracula-Filmen, sowie vielen Varianten von Psychothrillern und sogar Science-Fiction Streifen, die Welt. Ab Mitte der siebziger Jahre geriet Hammer jedoch, aufgrund mangelnder Investoren und wechselnder Vorlieben des Publikums (vor allem auf dem Gebiet des Horrors) an den Kinokassen ins Straucheln, wobei die Hits des Studios ihren Ursprung erneut im Fernsehen fanden, diesmal allerdings aus dem Bereich der Sitcoms. Merkwürdig, denn die Siebziger hatten eigentlich einen Horror-Boom ausgelöst, der bis in die Achtziger Jahre hinein anhielt – oder vielleicht doch nicht so seltsam, wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit niemand in britische Filme investierte. Aus diesen Gründen produzierte Hammer ein paar Serien, die speziell für den kleinen Bildschirm gemacht waren.

Im September 1980 debütierte Hammer House of Horror mit der ersten Folge einer neuen Anthologie auf ITV. Witching Time war der Titel dieser Eröffnungsepisode, in der versucht wurde die traditionellen Gothic-Chills des Materials zu aktualisieren, das dem Studio einst zu einem guten Namen verholfen hatte. Jon Finch (Macbeth, Verrückt und gefährlich) spielt einen Filmmusik Komponisten, der die Partitur für einen Film, in dem seine Frau (Prunella Gee, James Bond 007 – Sag niemals nie) die Hauptrolle spielt, fertigstellen möchte. Die Folge ist recht zeitgemäß gestaltet, bis ein klassisches Gewitter über Finches Anwesen hereinbricht und seinen Hund in Patricia Quinn (The Rocky Horror Picture Show) verwandelt, die sich ziemlich seltsam verhält, beinahe so, als gehöre sie in eine andere Zeit. Nun, das liegt daran, dass sie eine Hexe aus dem 17. Jahrhundert ist, die ihren Peinigern durch einen Zeitsprung entkommen konnte. Sollte man alt genug sein, um sich daran noch erinnern zu können, so denkt man hier sofort an Catweazle, wobei Quinns Lucinda allerdings sehr viel bösartiger ist, als Geoffrey Bayldon. Seltsamerweise etabliert der Plot Gees Charakter als untreue Seele, die ihren Ehemann mit dem lokalen Arzt Ian McCulloch (Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies) betrügt. Anscheinend, um am Ende ihre Schuld tilgen zu können!? Die Nacktheit, die in dieser ersten Episode präsentiert wird, ist ein Indiz dafür, dass sich Hammer mit der Zeit bewegen wollte und wurde so früh in der Reihe platziert, um die Zuschauer auf mehr davon hoffen zu lassen. Ein geschickter Schachzug also, die Serie mit dieser Folge zu beginnen.

Im Folgenden soll nun eine kleine Auswahl an besonders erwähnenswerten Episoden präsentiert werden, da die Besprechung der gesamten Serie den Rahmen deutlich sprengen würde. The House That Bled to Death stellt eine Geschichte aus dem wirklichen Leben dar, in der seltsam zweifelhafte Dinge geschehen. The Amityville Horror war in den späten siebziger Jahren ein großer Bestseller gewesen und der daraus resultierende Film (obwohl vom kritischen Konsens nicht gemocht), ähnlich lukrativ, so dass Hammer den Ansatz für den vermeintlich aus dem echten Leben gegriffenen Stoff aufnahm, doch anstatt in Amerika lieber in einer modernen, britischen Vorstadt spielen ließ. Eine junge Familie, bestehend aus dem Vater Nicholas Ball (Lifeforce – Die tödliche Bedrohung), der Mutter Rachel Davies (Magere Zeiten – Der Film mit dem Schwein) und der kleinen Tochter Emma Ridley (The World Is Full of Married Men), zieht in ein Haus ein, obwohl dort erst vor Kurzem ein Mord stattgefunden hat (den man in der pre-credits sequence gezeigt bekommt). Bereits während des Einzugs geschehen seltsame Dinge, zum Beispiel wird die Familienkatze von einer zerbrochenen Fensterscheibe aufgeschlitzt. Am erinnerungswürdigsten ist jedoch sicherlich die Geburtstagsfeier-Szene, in der die Anwesenden mit Blut besudelt werden, was zu einem Twist führt, der entweder auf satirische Art und Weise befriedigen oder wie eine unlogische Rechtfertigung wirken kann. Dennoch wurde der Horror im Alltäglichen ziemlich gut umgesetzt.

Als eine der besten Folgen der Serie ist mit absoluter Sicherheit The Silent Scream zu bezeichnen, da die Episode eine der garstigsten Fernsehstunden darstellt, die in Großbritannien jemals ausgestrahlt wurden. Ein Ex-Betrüger (von Brian Cox, X-Men 2, The Autopsy of Jane Doe verkörpert), kommt aus dem Gefängnis entlassen nach Hause, nachdem er mit einem der dortigen Berater Freundschaft geschlossen hat. Dieser Berater, ein Überlebender des Holocaust, wird von Peter Cushing gespielt, der hier seinen letzten Auftritt für das Studio hat. Ein äußerlich freundlich wirkender alter Herr, dessen oberflächliche Höflichkeit einen Abgrund des Bösen maskiert, möchte ein Gefängnis ohne Gitter erschaffen, weswegen er mit Tieren experimentiert, um an sein Ziel kommen zu können. Nicht mit Mäusen oder Ratten, sondern mit einer ganzen Menagerie großer Katzen, Affen und sogar eines Kängurus, die ihre Käfige auch bei geöffneten Türen nicht verlassen dürfen, wie ihnen von Cushing mit Hilfe von Elektrizität „beigebracht“ wird. Doch kann der alte Kauz auch Menschen mit dieser Behandlungsmethode konditionieren? In der Annahme, er helfe dem alten Herrn, indem er dessen Tiere füttert, stolpert Cox in eine Falle, wobei seine einzige Hoffnung auf Rettung auf seiner Frau Elaine Donnelly (Lovely Couple, Between the Lines) beruht. Die zögert wegen der Vorgeschichte ihres Ehemanns jedoch zur Polizei zu gehen, was zu einem zwar unlogischen, dafür allerdings wunderbar alptraumhaften Ende führt, das eines der schrecklichsten der Serie repräsentiert.

Als nächstes soll die allgemein als schlechteste Folge der Serie geltende Episode Visitor from the Grave besprochen werden, die von Anthony Hinds unter seinem Pseudonym John Elder geschrieben wurde. Hinds war jahrzehntelang eine der wichtigsten Mitarbeiter für Hammer gewesen, hatte viele ihrer Projekte produziert und mehr als nur ein paar Skripte beigesteuert. Hier scheint es, als wäre sein Talent mit einer Geschichte verloren gegangen, die bereits in den sechziger Jahren als abgedroschen gegolten hätte, während sich alle Les Diaboliques (Die Teuflischen) Ripp-offs auf ihrem Höhepunkt befanden. Es muss entmutigend gewesen sein, diese Flut von Klischees im Jahr 1980 präsentiert zu bekommen, zu einer Zeit, als bereits jeder Filmliebhaber mit den „Tricks“ in Hinds Drehbuch vertraut gewesen sein sollte. Kathryn Leigh Scott (Providence) spielt eine neurotische Amerikanerin, deren Ehemann (Simon McCorkindale, Talon im Kampf gegen das Imperium) nach Hause kommt, um zu entdecken, dass seine Frau einen potentiellen Vergewaltiger mit einer Shotgun über die Wupper geschickt hat. Er beschließt diesen Vorfall zu vertuschen und die Leiche im Wald zu vergraben, während seine Ehefrau von der ersten bis zur letzten Szene am Rande der Hysterie steht und nicht immer nur am Rande. Die Tatsache, dass ihr der Mann, den sie erschossen hat (ein Geschäftskollege von McCorkindale, der auf Rache aus war), immer wieder erscheint, wirkt sich nicht gerade günstig auf ihre geistige Gesundheit aus, wobei auch Besuche bei einem Medium ihre Ängste kaum lindern können. Wer diesen Plot nicht von Anfang an durchschaut, sollte beschämt seine Deerstalker-Mütze abgeben. Der Doppel-Twist am Ende ist einfach nur doof.

The Two Faces of Evil repräsentiert möglicherweise die beste Folge der Anthologie, doch mit Sicherheit die gruseligste Episode, dank der hervorragend eingesetzten Atmosphäre, die einen eskalierenden Albtraum suggeriert, in dem die Logik nach einem Autounfall der Hauptprotagonisten aus dem Ruder läuft. War es überhaupt ein Unfall? Anna-Calder Marshall (Sturmhöhe, Anna Karenina) spielt eine ganz normale Mutter, die sich mit ihrer Familie auf einer Urlaubsreise befindet, als ihr Ehemann (Gary Raymond, El Cid, Jason und die Argonauten) während eines Gewittersturms einen Anhalter mitnimmt. Der Mann, dessen Gesicht von einem Regenhut verdeckt wird, greift Raymond an und lässt das Auto Verunglücken, woraufhin Calder-Marshall im örtlichen Krankenhaus aufwacht. Die Regieführung von Alan Gibson ist mit Abstand als die beste der Serie zu bezeichnen, die selbst die alltäglichste Szene mit Unbehagen (in Bezug auf Off-Kilter-Fotografie und sorgfältige Bildgestaltung) erfüllt, was sich als äußerst effektiv erweist, wenn die Hölle losbricht. Die Frau bemerkt, dass der Kerl, den sie für ihren Mann hält, der sich vom Unfall erholt (doch dank einer Halsverletzung nicht mehr sprechen kann) nicht der ist, der er zu sein scheint. Es wird nie eine solide Erklärung dafür abgeliefert, was tatsächlich geschah, außer einer Diskussion über Doppelgänger. Man weiß nicht einmal, wer an dieser Verschwörung beteiligt ist und wer nicht, doch das unterstreicht zusätzlich die surreale Klaustrophobie des Plots. Auf jeden Fall eine der besten Horror-Anthologie-Geschichten, die das britische Fernsehen jemals produziert hat und die bis heute an die Nerven geht.

Auf etwa gleichem Niveau befindet sich auch die letzte Episode The Mark of Satan, welche die beunruhigende Vorstellung zum Ausdruck bringt, dass Wahnsinn ansteckend sein kann. Die Handlung konzentriert sich um einen Leichenschauhauswächter, der drei Tage nach seiner Versetzung in diese Abteilung von einem Patienten erfährt, der während einer Gehirnoperation starb und rief: „Lass meine Seele in Ruhe!“ bevor er auf dem OP-Tisch verendete. Bald darauf sieht der Wächter (Peter McEnery, Teufelskreis, Seid nett zu Mr. Sloane) überall die Nummer neun und wird davon besessen. Er ist der Überzeugung, dies sei der Schlüssel zu einer widernatürlichen Wahrheit, die er allmählich beginnt zu erkennen. Allerdings muss sich der Betrachter dabei die Frage stellen, ob sich dies nicht alles in McEnerys Kopf abspielt oder wirklich passiert!? Darauf gibt es mit Bestimmtheit keine einfache Antwort. Die erste Hälfte der Folge deutet an, dass er auf ein bestimmtes Muster fixiert ist, welches nur in seinem Gehirn existiert. Der zweite Teil der Geschichte stellt dies allerdings in Frage, da nun Hinweise auf eine satanische Gruppierung dargeboten werden, die sich aus all den Personen zusammensetzt, die entweder Arbeitskollegen von ihm sind, oder mit ihm zusammen in dem Haus wohnen, wo er mit seiner Mutter und einer Untermieterin (eine alleinerziehende Mutter mit Baby) lebt. Georgina Hale (Die Teufel, Cockneys vs Zombies) ist ihm gegenüber freundlich gestimmt, obwohl sie von seiner Mutter missbilligt wird (ihre Miete jedoch nicht!) – oder möchte ihn diese junge Frau dazu verführen sich von der Sekte opfern zu lassen? Die Information, dass der tote Patient entschlossen war, den Dämon in seinem Kopf mit einer Bohrmaschine heraus zu bohren, erweist sich als wirksames Mittel, was McEnery veranlasst das gleiche Schicksal zu ersehnen. Doch ergibt das für ihn Sinn, wenn überhaupt irgendein Sinn erkennbar ist? Ein passend düsterer Abschluss der Serie, der ein paar wilde Halluzinationen präsentiert, oder sind es etwa überhaupt gar keine!? Auch wenn dies nicht die allerbeste Folge ist, so ist sie auf alle Fälle zu den besten der Anthologie zu zählen.

Wicked-Vision Media veröffentlicht Hammer House of Horror als Nummer 22 ihrer Collector’s Edition im Mediabook (3 BluRay Discs), das streng limitiert ist und mit einem exklusiven Artwork von Darly Joyce aufwartet. Bild (1,33:1/1080p) und Ton (deutsch + englisch DTS-HD Master Audio 2.0 / DTS-HD Master Audio 5.1) bewegen sich auf hohem Niveau, da kann man nicht meckern. Deutsche oder englische Untertitel können zugeschaltet werden. Extras: Booklet mit seltenem Bildmaterial und einem Text von Uwe Huber, Der Wächter des Höllenschlunds – Widescreen-Fassung, Einblender für Werbepausen, Alptraum ohne Erwachen – Archivmaterial, Bildergalerien sowie die legendäre Dokumentation FLESH & BLOOD – THE HAMMER HERITAGE OF HORROR von Ted Newsom. Diese Doku über die Hammer Studios ist erstmals in Deutschland erhältlich und liegt in der Extended-Version mit über 156 Minuten Laufzeit vor. Insgesamt handelt es sich bei Hammer House of Horror um eine äußerst gelungene Mediabook-Edition, die in keinem Regal von Liebhabern und Hammer-Freunden fehlen sollte.

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Darsteller: Denholm Elliott, Brian Cox, Peter Cushing, Diana Dors
Untertitel: Deutsch, Englisch
Region: Region B/2
Bildseitenformat: 4:3 – 1.33:1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Wicked-Vision Media
Produktionsjahr: 1980
Spieldauer: 702 Minuten

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Diese Edition wurde uns freundlicherweise von Wicked-Vision Media zur Verfügung gestellt.

Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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