…und morgen fahrt ihr zur Hölle / Dalle Ardenne all’inferno / Dirty Heroes

Holland, 1945, während der letzten Tage des Krieges. Nach der Flucht aus einem deutschen Gefangenenlager stoßen der Panzerknacker Joe Mortimer und sein Kumpan Randall zu dem Partisanen Rollman. Gemeinsam wollen sie den Nazis wichtige Dokumente und vor allem wertvolle Diamanten stehlen. Dazu versichern sie sich der Hilfe von Christina. Sie ist die Frau des Generals Edwin von Keist, der die Kommandantur in Amsterdam leitet und im Gegensatz zum SS-General Hassler alles versucht, um den Waffenstillstand mit den Partisanen nicht zu gefährden. Mit von der Partie sind auch die Amerikaner Captain O’Connor und Petrowsky, der sich als Spitzel unter die Deutschen gemischt hat. Der abenteuerliche Coup gelingt, aber jemand aus den eigenen Reihen hat sie verpfiffen. Der brutale Hassler nimmt die Verfolgung auf… (filmjuwelen)

In den späten 60er Jahren haben italienische Regisseure eine Reihe von Low-Budget-Actionfilmen gedreht, um vom Erfolg von The Dirty Dozen (Das dreckige Dutzend, 1967) und anderen Blockbuster-Hollywood-Kriegsfilmen zu profitieren. Obwohl der englische Titel The Dirty Heroes wie ein billiger Abklatsch klingt, handelt es sich hier tatsächlich um einen der spannendsten Kriegs-Actionfilme, die Ende der 60er Jahre aus Europa kamen. Dieses Ergebnis kann der rundum professionellen Produktion zugeschrieben werden und zwar von der Besetzung des Ensembles bis zur Expertencrew hinter den Kulissen. Die Handlung erweist sich allerdings als etwas kompliziert und hat mehrere twists&turns auf Lager. Sesam (Frederick Stafford) und Randall (Howard Ross) sind zwei alliierte Bomberflieger, die in Holland abgeschossen werden. Es bedeutet puren Zufall, dass ihr alter Freund Petrowski (Michel Constantine), ein deutscher Soldat, der sich den Alliierten gegenüber loyal zeigt, Wächter in dem Lager ist, in dem die beiden Amerikaner untergebracht werden. Selbstverständlich verhilft er ihnen zur Flucht. Die drei schließen sich mit Rollman (Adolfo Celi) zusammen und planen niederländische Diamanten aus einem Safe im Herzen des Hauptquartiers der Wehrmacht zu stehlen.

Allerdings benötigen sie Hilfe, um ins Hauptquartier hineinzugelangen, weswegen sie Kristina von Keist (Daniela Bianchi), die Frau von General von Keist (Curd Jürgens) engagieren. Die ist nämlich eigentlich Jüdin und muss sich nun entscheiden, ob sie den Partisanen helfen oder ihre falsche Identität aufgedeckt werden soll. Die Sache wird noch dadurch verkompliziert, dass von Keist keine Ahnung von der wahren Identität seiner Frau hat und bereits vom bösartigen SS-General Hassler (Helmuth Schneider) unter die Lupe genommen wird. Bei einem Drehbuch, an dem (sage und schreibe) sechs Autoren mitgewirkt haben, stellt es keine Überraschung dar, dass die Handlung so kompliziert geraten ist. Erstaunlicherweise passen alle Details beinahe perfekt zusammen, um eine brillant gestaltete Geschichte in einem unglaublich schnellen Tempo erzählen zu können. Man kann sich nie sicher sein auf welcher Seite sich jeder Charakter gerade befindet. Sind die Guten wirklich gutmütig oder sind sie die „schmutzigen Helden“, auf die der englische Titel anspielt? Hier finden mehrere Konflikte gleichzeitig statt, die sich auf verwunderliche Art und Weise niemals verwirrend und/oder widersprüchlich gestalten.

Der Film stützt sich auf die guten Leistungen der Schauspieler und deren ausgefeilte Charaktere, um die Action voranzutreiben, was ein Grund dafür ist, warum der Film so gut funktioniert. Frederick Stafford spielt wie gewohnt ausgezeichnet. Er lässt Sesam zu einem Charakter aus Fleisch und Blut werden, dessen einzige Ambition die Gier zu sein scheint – bis er Kristina kennenlernt und sich in eine Sache verwickelt sieht, die ihm gar nicht angenehm ist. Stafford schien für dieses Genre wie gemacht zu sein, weil er seine unkonventionellen Hauptrollen stets in sympathische Charaktere verwandelte, die mit ausreichend Tiefe und Substanz ausgestattet sind, um glaubwürdig zu wirken. Daniela Bianchi macht ihre Sache als Kristina (die Frau, die eine schwierige moralische Entscheidung zu treffen hat) genauso gut wie Stafford. Leider zerfällt die Figur im letzten Akt, wo ihre eigentlich wesentliche Rolle auf dümmliche sowie übertriebene Art und Weise auf eine Romanze reduziert wird und sie wenig zu tun hat. Als General von Keist kann Curd Jürgens mit Sicherheit als der am weitesten entwickelte Charakter des Films bezeichnet werden.

Er versucht so viele Leben wie möglich zu retten, weil ihm bewusst ist, dass die Niederlage des Dritten Reiches unmittelbar bevorsteht. Von Keist ist auf sehr uncharakteristische Art und Weise als sympathisch zu bezeichnen – es wird gezeigt, wie er mit Partisanen Waffenstillstand schließt, um Massaker an seinen eigenen Truppen und zivilen Opfern zu verhindern. Die Nebencharaktere geben den Hauptprotagonisten viel an willkommener Unterstützung. John Ireland scheint als Captain O’Connor viel Spaß zu haben. Er übernimmt die Rolle eines amerikanischen Piloten, der als alter Kumpel von Sesam dazu verleitet wird, die „Helden“ beim Diamantendiebstahl zu unterstützen. Adolfo Celi macht große Laune als Rollman, der niederländische Partisan, dessen Loyalität und Motive bis zum letzten Akt im Dunklen verborgen liegen. In dieser Rolle musste er körperlich ganz schön aktiv werden, denn er schickt deutsche Soldaten mit einem Maschinengewehr zur Hölle, schwimmt durch Kanäle, um patrouillierenden Torpedobooten zu entkommen und vieles mehr. Helmuth Schneider spielt die für ihn sehr typische Rolle des General Hassler (ein fieser SS-Offizier) enorm effizient.

Hassler und von Keist stellen einen moralischen Konflikt vor dem Hintergrund einer größeren Verschwörung dar, wobei die beiden Kontrahenten im letzten Akt gegeneinander antreten und gleichzeitig eine komplizierte Handlungsauflösung in Gang setzen. Regisseur Alberto de Martino versteht sein Handwerk. Bis 1967 hatte er bereits mehrere Gladiatorenfilme wie Il gladiatore invincibile (Der unbesiegbare Gladiator, 1967) und einige ausgezeichnete Spionagefilme (Upperseven, l’uomo da uccidere / Der Mann mit den tausend Masken, 1966) nach dem Vorbild von James Bond-Abenteuern gedreht. Auch für Genre-Ware wie Django spara per primo (Django – Nur der Colt war sein Freund, 1966), I familiari delle vittime non saranno avvertiti (Der Mafia-Boss, 1972), Il consigliori (Im Dutzend zur Hölle, 1973), 7, Hyden Park: la casa maledetta (Das Haus der Verfluchten) und Miami Golem (beide 1985) zeigte er sich verantwortlich. Daher hat …und morgen fahrt ihr zur Hölle wohl sein angemessen episches Aussehen und fühlt sich immer ein bisschen wie ein Spionagefilm an. Die Fotografie der Örtlichkeiten ist als hervorragend zu beschreiben. Die Sets sind expansiv gestaltet worden, wobei das Hauptquartier der Wehrmacht, das Partisanenlager und der amerikanische Flugplatz bei jeder Aufnahme echt aussehen und sich auch so anfühlen. De Martino fängt im letzten Akt den Umfang einiger wirklich gewaltiger Kampfszenen ein, einschließlich Hunderten von Statisten und mehreren Panzern.

Die Musik, die von Ennio Morricone und Bruno Nicolai gemeinsam geschrieben wurde, ist zwar nicht zu den besten Partituren zu zählen, die jemals für einen Kriegsfilm komponiert worden sind, lässt sich aber trotzdem recht angenehm hören. Man lasse sich nun allerdings nicht allzu sehr von dieser eher positiv gehaltenen Besprechung beeinflussen. Bei allem, was die Autoren richtig gemacht haben, ist die Geschichte zuweilen ein wenig durcheinander und verwirrend geraten, weswegen viele schlecht erklärte Szenen existieren. Zum Beispiel verwandelt sich O’Connors Flugzeug in einer Schlüsselsequenz der Einfachheit halber von einem Transportflugzeug in einen Bomber. Ach ja und wie üblich scheinen die deutschen SS-Einheiten zwar mit guten Waffen, jedoch ohne Gehirn ausgerüstet worden zu sein – sie werden einfach nicht müde verschanzte Infanterie anzugreifen, von der sie mühelos niedergemäht werden.

Die größte aller Fragen ist allerdings: Wie schaffen es all diese amerikanischen Diebe, Betrüger und Hochstapler mitten im Zweiten Weltkrieg zusammen zu finden? Es scheint lächerlich anzunehmen, dass Sesam und Randall zusammen inhaftiert waren und Petrowski rein zufällig in ihrem Kriegsgefangenenlager stationiert war. Die nahe Präsenz ihres alten Kumpels O’Connor macht die ganze Sache nur noch schlimmer. Nun, letztendlich ist das alles verzeihlich, denn es wird erwartet, dass man all diese kleinen Details übersieht und sich einfach auf die Handlung einlässt. …und morgen fahrt ihr zur Hölle ist als einer der unterhaltsamsten und originellsten Kriegsfilme der 60er Jahre zu bezeichnen (wenn schon nicht als realistischster). Die Action-Sequenzen sind atemberaubend inszeniert worden und der Plot ist genauso packend wie spannend. Die Mängel können ignoriert werden, da die Geschichte puren Eskapismus von seiner besten Seite darstellt.

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  • Seitenverhältnis : 16:9 – 2.35:1
  • Alterseinstufung : Freigegeben ab 16 Jahren
  • Regisseur : Alberto de Martino
  • Medienformat : Dolby, PAL, Breitbild
  • Laufzeit : 1 Stunde und 45 Minuten
  • Darsteller : Frederick Stafford, Curd Jürgens, Daniela Bianchi, John Ireland, Adolfo Celi
  • Sprache, : Deutsch (Dolby Digital 2.0)
  • Studio : filmjuwelen

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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Eine Antwort

  1. Oberst_Kalenga sagt:

    Gaaanz nett – aber die Actionsequenzen der finalen Panzerschlacht sind schlecht montiert und leider ziemlich zusammenhangslos. Interessanterweise sind einige Szenen des Capers in dem Kriegsdrama „Nur drei kamen durch“ von Lenzi (1979) mit George Peppard und Horsti Buchholz erneut verwendet worden.