Im Blutrausch des Satans / Ecologia del delitto / Reazione a catena / A Bay of Blood

Auf Grund der Rechtslage in Deutschland möchten wir darauf hinweisen dass der im folgenden besprochene Spielfilm aktuell gemäß §15/18 JuSchG indiziert und aufgrund § 131 StGB bundesweit beschlagnahmt ist. Um unserem Bildungsauftrag nachzukommen und der kulturellen Bedeutung des Films gerecht zu werden, findet ihr im Folgenden einen Artikel zum Film Blutrausch des Satans, der sich mit Werk und Wirkung kritisch auseinandersetzt.

Eine rollstuhlgebundene Gräfin wird ermordet und verschiedene gierige Erben und Interessenten versammeln sich, um zu versuchen, die Kontrolle über ihr an einer Bucht gelegenem Eigentum zu übernehmen…

Ecologia del delitto bedeutete für Regisseur Mario Bava eine Rückkehr zu alter Form nach der Enttäuschung des Italo-Western Roy Colt e Winchester Jack (Drei Halunken und ein Halleluja, 1970). Hier handelt es sich um eine dunkle Komödie über Massenmord, die eine deutliche Änderung des Tons gegenüber Bavas früherem Giallo-Meisterwerk 6 donne per l’assassino (Blutige Seide, 1964) markiert. Die erste Aufnahme des Films (nach einer kurzen Kreditsequenz) ist ein schneller travelling shot, der einer Fliege folgt, während sie in der Luft herumfliegt; ganz plötzlich stirbt und ins Wasser fällt. Diese witzige, scheinbar unbedeutende Sequenz beschreibt die beiden Hauptthemen des Films ziemlich genau: die Unvermeidlichkeit und Abruptheit des Todes sowie die Tatsache, dass der Mensch trotz all seiner Ansprüche kaum mehr als ein Insekt darstellt – und zwar ein besonders böses. In gewisser Weise erinnert die Szene an Harringtons Monolog zu Beginn von Il rosso segno della follia (Red Wedding Night, 1970): „Arme kleine Fliege. Warum bist du so wagemutig? Du bist so zerbrechlich. Und doch bist du geboren, reproduzierst dich selbst und stirbst dann wie ein Mensch. Du hast keine Angst vor dem Tod, weil Du ihn ignorierst. Dein unbedeutendes Leben ist nur ein biologischer Unfall. Doch der Tod existiert… und das macht das Leben zu einem lächerlichen und schwachen Drama.“

Welche guten Eigenschaften die Charaktere auch besitzen mögen, sie sind immer noch durch die Tatsache eingeschränkt, dass sie Menschen sind. Bava war ein ruhiger und freundlicher Mann im wirklichen Leben, weswegen ihn seine Menschlichkeit daran hinderte den Begriff „Mensch der Zerstörer“ in all seinen Filmen vollständig zu akzeptieren, doch in einem solchen Szenario wie in Reazione a catena begrüßt er ihn vollständig. Gleichzeitig amüsiert und abgestoßen sieht der Betrachter zu, wie sich die kleinen Wesen in Bavas Mini-Universum gegenseitig töten. Der Hauptunterschied zwischen diesem Film und den anderen Gialli des Regisseurs ist das hohe Maß an grafischer Gewalt. Bava versuchte mit den Filmen von Dario Argento zu konkurrieren und beschloss die Qualität seiner Arbeit zu verbessern, indem er einen Film mit mehr Blutvergießen als gewöhnlich ablieferte. In Zusammenarbeit mit seinem begabten Schützling Carlo Rambaldi entwickelte er einige äußerst erfinderische – und sehr spritzige – Methoden, um seine Besetzung zu entsorgen. Der Ton des Films ist als so ironisch zu beschreiben, wie der von 5 bambole per la luna d’agosto (Five Dolls for a August Moon, 1970), doch im Gegensatz zu dieser problematischen Unternehmung hält sich diese außergewöhnlich gut zusammen.

Der Film hat auch den Vorteil mit sehr guten Schauspielern besetzt zu sein, die alle das Beste aus den skurrilen Charakteren herausholen, die sie spielen. Während die meisten Charaktere in Five Dolls eher skizzenhaft und langweilig gestaltet waren, schaffen es einige von ihnen hier doch tatsächlich, etwas liebenswerter zu wirken. Zum Beispiel ist der Entomologe im Schema der Dinge, als ziemlich unschuldig zu bezeichnen. Wie vom begabten Schauspieler Leopoldo Trieste gespielt – am bekanntesten für seine Rollen in Federico Fellinis I Vitelloni (Die Müßiggänger, 1953), Nicolas Roegs Don’t Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen, 1973) und Francis Ford Coppolas The Godfather: Part II (Der Pate 2, 1974), obwohl er auch Regie bei einigen eigenen Filmen führte; einer von ihnen, Città di notte (1956), wurde sogar von Mario Bava fotografiert – kommt die Figur schrullig aber sympathisch rüber und zwar so sehr, dass es einem leid tut, zu sehen wie er getötet wird. Triestes schauspielerische Leistung wird beinahe auch von Luigi Pistilli erreicht, der als der rückgratlose Alfredo besetzt ist. Pistilli war geschickt darin eine Vielzahl von Rollen spielen zu können und repräsentierte ein bekanntes Gesicht in Gialli dieser Zeit. Hier liefert er mit Sicherheit eine seiner denkwürdigsten Vorstellungen ab.

Seine überaus zickige Frau wird von der auffallend schönen Claudine Auger gespielt, die auch in La tarantola dal ventre nero (Der schwarze Leib der Tarantel, 1971) zu sehen war. Die Schauspielerin spielt groß auf, als wahre „Frau aus der Hölle“, wobei sie und Pistilli außergewöhnlich gut miteinander harmonieren. Ein weiteres Highlight stellt Laura Betti dar, die ihren zweiten und letzten Auftritt für Bava hat, nachdem sie im oben genannten Hatchet for the Honeymoon etliche Szenen gestohlen hatte. Isa Miranda, die nach Drei Halunken und ein Halleluja erneut für Bava auftrat, war als eine der bedeutendsten weiblichen Stars Italiens bekannt. Ihre Karriere umfasste zwei der besten Filme von Max Ophüls, La Signora di Tutti (Eine Diva für alle, 1934) und La Ronde (Der Reigen, 1950), René Cléments Oscar-Preisträger Le mura di Malapaga (Die Mauern von Malapaga, 1949) und sogar solche Euro-Kult-Kost wie Colpo rovente (The Syndicate: A Death in the Family, 1969) von Piero Zuffi und Massimo Dallamanos Das Bildnis des Dorian Gray (1970). Claudio Volontè (oft als Claudio Camaso gelistet) war der jüngere Bruder des beeindruckenden italienischen Schauspielers Gian Maria Volontè. Seine Karriere zählt nur wenige markante Titel (einschließlich Antonio Margheritis „Old Dark House“-Thriller The Unnaturals – Contronatura / Schreie in der Nacht von 1969 und dem Italo-Western Joko invoca Dio… e muori / Fünf blutige Stricke von 1968), bevor sie durch eine Tragödie erschüttert wurde – eine Art von Totschlag führte zu Camasos Inhaftierung. Ende 1977 erhängte er sich schließlich im Gefängnis.

Während Bavas erster „Slasher“-Film Blutige Seide (1964) mit dem Tod von Gräfin Cristina endete, beginnt Im Blutrausch des Satans mit dem Tod einer anderen Gräfin. Beide Frauen sterben aufgrund ihrer Liebe zu moralisch bankrotten Männern: in Blutige Seide wird Gräfin Cristina von Massimo verraten, während in diesem Film der Ehemann der Gräfin der Schuldige ist. Die Verbindung zwischen den beiden Filmen wird durch das Vorhandensein eines Tagebuchs, das sensible Geheimnisse enthält, weiter gestärkt. In Blutige Seide setzt das Tagebuch die Handlung in Gang. Das Tagebuch in Twitch of the Death Nerve ist nicht so zentral wichtig für die Handlung aber es bietet dem Ehemann der Gräfin eine bequeme Möglichkeit sie umzubringen und die Polizei gleichzeitig an einen Selbstmord glauben zu lassen. A Bay of Blood mag keine besonders fröhliche Sicht auf die Menschheit präsentieren, wirkt jedoch nie unnötig bitter. Das Vorhandensein starker weiblicher Charaktere hilft auch dabei den Streifen von vielen Gialli dieser Zeit abzuheben, die die Frauen oftmals zu Objekten der Lust oder Bedrohung reduzierten.

Bava erkennt die Fähigkeit von Frauen an, entweder Opfer oder Täter(in) sein zu können. Er sieht bei ihnen stärkeres Potenzial als bei Männern und schätzt vor allem die Ironie in ihrer Beziehung zu den männlichen Charakteren. Männer mögen sich selbst schmeicheln, dass sie die Kontrolle haben, doch in der Realität sieht es genau umgekehrt aus. Im Gegensatz zu vielen Autoren und Regisseuren von Horrorfilmen und Thrillern weigert sich Bava seine weiblichen Charaktere ausschließlich in die Rolle des Opfers zu degradieren. Der Film unterscheidet sich auch dadurch von vielen anderen seiner Art, indem er die mörderischen Pflichten auf einer Vielzahl von Charakteren verteilt. Viele Gialli konzentrieren sich auf einen in schwarz gekleideten perversen Mörder, doch hier wird impliziert, dass jeder in der Lage ist einen Mord zu begehen, sofern man sich durch Gier dazu motivieren lässt. Der Film beginnt mit der überraschenden Enthüllung des Mörders der Gräfin, nur um diesen einen Moment später von einem anderen Mörder entsorgen zu lassen. Dieser Mörder wird schließlich auch eliminiert, wobei die führende Rolle von einem anderen Charakter übernommen wird.

Das verschlungene Drehbuch (basierend auf einer von Dardano Sacchetti mitgeschriebenen Geschichte) schweift des Öfteren ein wenig ab, wobei die Geschichte von Alberto und Renata als moderne Version von Macbeth gelesen werden kann. Wie Shakespeares Stück handelt auch Bavas Film von einem willensschwachen Ehemann, der gezwungen ist einen Mord zu begehen, um Anspruch auf einen Titel zu erheben. Sobald Albertos Hände mit Blut befleckt sind (in einer Szene, die in Bezug auf den Schockwert mit Roman Polanskis 1971er Version von Macbeth konkurriert), wird er selbstbewusster und geht das Verfahren mit größerer Begeisterung an. Ecologia del delitto ist als einer von Bavas besten Filme zu bezeichnen und beweist, dass er nichts vom Flair und dem Erfindungsreichtum verloren hat, die für seine besten Werke der 60er Jahre typisch waren. Für die prächtige Kinematographie des Streifens war Bava selbst verantwortlich, während Stelvio Cipriani einen exzellenten Soundtrack beisteuert, seinen ersten von mehreren für den Regisseur.

Trotzdem wird der Film durch ein unstetiges Tempo und unschöne Kameraarbeit ein kleinen wenig entwertet. Bava hatte das Zoomobjektiv schon immer gern benutzt, doch während es in La maschera del demonio (Die Stunde, wenn Dracula kommt, 1960) und La frusta e il corpo (Der Dämon und die Jungfrau, 1963) mit Bedacht inkorporiert wurde, wirkt sein Einsatz hier (wie in Red Wedding Night, Roy Colt & Winchester Jack und einigen anderen Titeln) etwas ungeschickt. Als solches ist der Film vielleicht nicht würdig in die Spitzengruppe von Bavas Oeuvre aufgenommen zu werden, der er allerdings sehr nahe kommt.

  • Darsteller: Claudine Auger, Luigi Pistilli, Claudio Camaso, Anna Maria Rosati, Chris Avram
  • Regisseur(e): Mario Bava
  • Sprache: Spanisch (Dolby Digital 2.0)
  • Untertitel: Spanisch, Portugiesisch
  • Region: Alle Regionen
  • Bildseitenformat: Unbekannt
  • Anzahl Disks: 1
  • FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
  • Produktionsjahr: 1972
  • Spieldauer: 81 Minuten

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Bluntwolf

Bluntwolf ist ein Filmliebhaber aus der goldenen Mitte Deutschlands. Sein Spezialgebiet ist das italienische Kino der 60er bis 80er Jahre, insbesondere Italowestern, Giallo und Polizio. Er ist der Chefredakteur von Nischenkino und gehört dem Redaktionsteam der Spaghetti-Western Database an.

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